Ein Polizist steht nach Ausschreitungen bei einer Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart auf der Straße. (Archivbild: 16.09.2023)
Player: video"Das gibt es nicht alle Tage", Michael Götschenberg, ARD Berlin, mit Details zu Razzien gegen Eritrea-Gruppierung

Nach Attacken in Deutschland Razzia gegen mutmaßliche Eritrea-Terrorgruppe

Stand: 26.03.2025 13:12 Uhr

Wegen Terrorverdachts laufen seit den Morgenstunden Durchsuchungen in Deutschland und Dänemark. Die Razzien richten sich gegen Menschen aus Eritrea, die für Attacken auf Landsleute bei Eritrea-Festivals verantwortlich sein sollen.

Deutsche Sicherheitsbehörden sind am Morgen mit einer Großrazzia gegen eritreische Regierungsgegner wegen Gewaltaktionen vorgegangen. Es gehe um den Verdacht der Gründung einer inländischen terroristischen Vereinigung, teilte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit.

Durchsuchungen gegen mutmaßliche Mitglieder der sogenannten Brigade N'Hamedu liefen demzufolge in 19 Objekten in insgesamt sechs Bundesländern - Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz - sowie im Nachbarland Dänemark.

Umsturzpläne in Eritrea

Bei der Brigade N'Hamedu handele es sich "um eine international vernetzte Gruppierung, deren erklärtes Ziel es ist, die Regierung in Eritrea zu stürzen", erklärte die Bundesanwaltschaft. Der deutsche Ableger der Brigade sei spätestens seit 2022 aktiv. Er verfolge dieses Ziel durch Gewaltaktionen gegen von der eritreischen Regierung unterstützte Veranstaltungen. So waren die Ausschreitungen am Rande von Eritrea-Festivals im August 2022 und Juli 2023 in Gießen sowie eines Seminars eines eritreischen Vereins im September 2023 in Stuttgart der Hintergrund der heutigen Durchsuchungen.

Player: videoAndreas Hilmer, NDR, über Großrazzien wegen Terrorverdachts gegen eritreische Regierungsgegner

Andreas Hilmer, NDR, über Großrazzien wegen Terrorverdachts gegen eritreische Regierungsgegner

tagesschau24, 26.03.2025 16:00 Uhr

Die Eritrea-Festivals in Gießen wurden damals vom Zentralrat der Eritreer in Deutschland organisiert, der als regierungsnah gilt. Darin sahen Kritiker Propaganda für die eritreische Regierung, was die Veranstalter bestreiten. Ähnlich gelagert waren die Vorfälle im September 2023 in Stuttgart: Damals demonstrierten bis zu 200 junge Regimegegner mit Dachlatten und Stangen gegen eine Veranstaltung im Stuttgarter Römerkastell, weil die Teilnehmer ihrer Ansicht nach dem diktatorischen Regime in Afrika nahestanden.

Bei den Ausschreitungen wurden zahlreiche Polizeibeamte zum Teil erheblich verletzt. Einige Mitglieder der Brigade N'Hamedu hätten Gewalt gegen deutsche staatliche Institutionen und Repräsentanten der Staatsgewalt - beispielsweise Polizeikräfte - als legitimes Mittel erachtet, hieß es daher heute.

17 Verdächtige, keine Festnahmen

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft dienen die Durchsuchungen dazu, "die bestehenden Verdachtsmomente zu objektivieren". Festnahmen seien nicht erfolgt. Der Verdacht richtet sich den Angaben zufolge gegen 17 namentlich bekannte Beschuldigte, die nach derzeitigem Ermittlungsstand leitende Funktionen innerhalb des deutschen Ablegers der Brigade innehaben sollen.

Ein weiterer Beschuldigter, der sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland eine Führungsposition innerhalb der Brigade N'Hamedu bekleidet haben soll, sei kürzlich von einem niederländischen Gericht wegen seiner Beteiligung an Ausschreitungen am 17. Februar 2024 in Den Haag zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Auch in Deutschland wurden die Ausschreitungen strafrechtlich aufgearbeitet. Im März 2024 etwa verurteilte das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt einen damals 29-jähriger Eritreer wegen besonders schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren und neun Monaten Haft. Ebenfalls wegen Landfriedensbruchs und wegen gemeinschaftlich begangenen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verurteilte das Amtsgericht Gießen im Juli 2024 einen 24-Jährigen zu einem Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Machthaber in Eritrea in der Kritik

Das Land am Horn Afrikas mit rund vier Millionen Einwohnern ist durch systematische Repressionen, Gewalt und die Verweigerung grundlegender Menschenrechte geprägt. Die autoritäre Regierung von Präsident Isaias Afewerki unterdrückt die Bevölkerung nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International durch Zwangsarbeit, erzwungene Wehrpflicht sowie eingeschränkte Meinungs-, Glaubens- und Pressefreiheit. 

Zudem gibt es Berichte über großflächige Massaker, außergerichtliche Hinrichtungen und sexuelle Gewalt durch Sicherheitskräfte. Die Regierung des Einparteienstaats, in dem keine Wahlen abgehalten werden, weist die Vorwürfe als politisch motiviert zurück.

"Bekämpfen auch die dahinterstehende Struktur"

Afrikanische Konflikte dürfen nach Angaben von Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) auf deutschem Boden nicht mit Gewalt ausgetragen werden. "Das ist eine klare Ansage, und hierauf gibt es auch eine klare, entschlossene und konsequente Antwort des Rechtsstaats. Dabei haben wir einen langen Atem", sagte Strobl angesichts der Razzien.

Die Ermittler hätten sich nach dem Gewaltexzess in Stuttgart bundesweit intensiv vernetzt und maßgebliche Informationen zusammengetragen und aufbereitet, sagte Strobl. "Wir bekämpfen auch die dahinterstehende Struktur, und zwar länderübergreifend." Dreh- und Angelpunkt der Razzien war das umfangreich sichergestellte Videomaterial, das intensiv ausgewertet worden sei. Hierbei sei modernste Gesichtserkennungstechnik zum Einsatz gekommen. 

Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Stuttgart habe man bislang rund 190 Verfahren gezählt. Gegen rund 100 Menschen seien die Verfahren eingestellt worden. "Gegen 34 Personen wurde eine Geldstrafe verhängt, gegen 56 Personen eine Freiheitsstrafe. Die Urteile sind zum Teil noch nicht rechtskräftig", sagte Strobl.

Player: audioGroßrazzia im Zusammenhang mit Eritrea-Festival
Michael-Matthias Nordhardt, SWR, tagesschau, 26.03.2025 10:26 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 26. März 2025 um 10:00 Uhr.