Bodo Ramelow (l.), Gregor Gysi und Dietmar Bartsch

Kandidaten für den Bundestag Die Linke versucht es mit Personenkult

Stand: 20.11.2024 15:46 Uhr

Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow starten die "Mission Silberlocke". Ein Sympathiewahlkampf der Altgedienten soll die Linkspartei in den Bundestag retten. Leicht wird das nicht.

Nur zusammen getanzt haben sie noch nicht. Ansonsten haben Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow schon einiges ausprobiert. Eine Bildmontage für Social Media, das die drei gemeinsam auf einer Rakete zeigt. Ein öffentlich inszeniertes Abendessen samt Rotwein. Ein schräger Projektname namens "Mission Silberlocke", der ein bisschen klingt wie die dänische Krimireihe Olsenbande - Kult in der DDR.

Nun machen die drei Linken-Politiker öffentlich, was längst klar ist: Sie wollen gemeinsam für ihre Partei in den Bundestagswahlkampf ziehen. Ramelow formuliert es so: "Der Seniorenexpress macht sich auf und mischt sich ein."

Drei Direktmandate für Bundestagseinzug

Gysi, Bartsch und Ramelow wollen in Berlin-Treptow, Rostock und Erfurt für den Bundestag antreten. Holt jeder ein Direktmandat, wäre ihrer Partei, der Linken, der Einzug in voller Stärke gesichert, selbst wenn sie nicht auf fünf Prozent kommt. Dafür sorgt die sogenannte Grundmandatsklausel. In Leipzig und in Berlin-Lichtenberg rechnet sich ihre Partei ebenfalls Chancen auf Direktmandate aus.

Allerdings sind Gysi, Bartsch und Ramelow 76, 66 und 68 Jahre alt. Der Ruhestand wäre keinesfalls abwegig. Gysi sagt: "Wenn man aus einer Krise heraus will, muss man ungewöhnliche Schritte geben." Erst die Partei, dann die Politrente.

Nun wollen die drei etwas versprühen, was der Linken bei Umfragewerten zwischen zwei und vier Prozent zuletzt abhandengekommen ist: Leichtigkeit. Dass das nicht so locker laufen wird wie geplant, zeigt jedoch die Pressekonferenz. Die Fragen der Journalisten drehen sich um Migration, alternde Fußballtrainer, Sahra Wagenknecht, die Ukraine und die AfD. Vom Trio kommt dazu überwiegend Altbekanntes.

"Haben nach wie vor getrennte Wohnungen"

Gysi sagt, ohne die Linkspartei im Bundestag gebe es "keine linken Argumente mehr". Die Diskussion werde enger. Seine Partei müsse sich auf einige wenige Themen konzentrieren. Gysi nennt soziale Gerechtigkeit, Steuergerechtigkeit, die "Frage des Friedens und die Frage der Migration", ökonomische Nachhaltigkeit sowie die Gleichstellung von Mann und Frau und Ost und West. Es sind dieselben Punkte, die er seit einem Jahr vorschlägt.

Ramelow argumentiert - wie von ihm gewohnt - mit zahlreichen Beispielen aus seiner Arbeit als Ministerpräsident und Gewerkschafter. Offensichtlich will das Trio der Linken keine inhaltlichen Debatten aufzwingen. Im Vordergrund stehen sie als Personen. Die vorgezogene Bundestagswahl erschwert die Neuausrichtung der kriselnden Partei.

Stattdessen kommen also Scherze. "Wir haben nach wie vor getrennte Wohnungen", flachst Gysi, als es darum geht, wie eng das Trio künftig zusammenarbeiten wird. Überspielt wird so, dass hier auch zwei sitzen, die den Bruch der Partei mit Sahra Wagenknecht und das Umfragetief zumindest nicht verhindern konnten. Und einer, dessen Beliebtheit als Ministerpräsident nicht ausreichte, um in Thüringen bei der Landtagswahl im September noch einmal als Partei etwas zu reißen.

Ramelow mit guten Chancen

Der Plan, überhaupt noch einmal anzutreten, geht auf Bartsch zurück. Erstmals in den Raum gestellt hatte ihn Gysi beim Linken-Parteitag im Oktober. Die drei Freunde hätten schon mehrere Krisen zusammen ausgestanden, sagt Gysi jetzt. Und es gebe ja eine "Aufschwungstimmung".

Bodo Ramelow soll nun bereits am Samstag auch auf Platz eins der Thüringer Landesliste für die Bundestagswahl gewählt werden. Er genießt dafür den Rückhalt seines Landesvorstandes.

Tatsächlich hat Ramelow gute Chancen auf ein Mandat. Bei der Landtagswahl im September kam er in Erfurt als Direktkandidat auf 42,4 Prozent der Stimmen. Auch dass er derzeit noch geschäftsführender Ministerpräsident ist, stelle keine rechtlichen Probleme dar, so Ramelow. Da CDU, SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht in Thüringen offenbar kurz vor einer Einigung für eine Koalition stehen, könnte er das Amt zudem noch im Dezember los sein.

In jedem Fall tritt Ramelow unter den drei Silberlocken am selbstbewusstesten auf. "Ich erreiche Menschen", sagt er bei der Pressekonferenz.

Gysi gegen AfD und BSW

Bartsch klingt anders. Er appelliert an die Meinungsforscher, seine Partei nicht abzuschreiben. Der Mecklenburger gilt eher als Taktiker denn als Charismatiker und hat von den dreien wohl die schlechtesten Chancen. Bislang konnte er noch nie ein Direktmandat erringen. Bartsch soll deshalb gezielt Unterstützung erhalten, heißt es aus der Partei.

Gysi wiederum hat zwar immer, wenn er zur Bundestagswahl antrat, ein Direktmandat gewonnen. Zuletzt gingen seine Werte aber zurück, seine Partei schwächelte ohnehin. Bei der Europawahl im Juni wurde die AfD in Treptow-Köpenick stärkste Kraft. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) holte aus dem Stand 14 Prozent.

Mit Oliver Ruhnert, Ex-Linker und prägende Figur beim lokalen Fußball-Erstligsten Union Berlin, könnte das BSW Gysi nun sogar namhafte Konkurrenz machen. Der gibt sich am Mittwoch zwar gelassen, aber ein Detail unterstreicht dann doch, dass dieser Wahlkampf anders ist als die vergangenen: Gysi erwägt, auch auf der Landesliste anzutreten. Vor vier und vor acht Jahren hatte er auf diese Absicherung noch verzichtet.

Social Media statt Politrente

Trotz des Alters der Beteiligten soll sich der geplante Sympathie-Wahlkampf auch in den sozialen Medien abspielen. Ramelow sagt, er wolle dort weiter "ins Gespräch kommen" und beschäftige sich aktuell mit vielen neuen Dingen. Die drei alten Herren müssen für junge Menschen anschlussfähig bleiben.

Und immerhin Ramelow hat schon mal für das Internet getanzt: Auf den letzten Metern des Thüringer Landtagswahlkampfs gründete er zum Spaß das "Bündnis Bodo Ramelow". Mit einer Band coverte er singend und tanzend den Trio-Hit "Da da da". Es könnte keine einmalige Aktion bleiben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. November 2024 um 15:49 Uhr.