Regierungserklärung von Scholz Der Optimismus-Kanzler beschwört den Teamspirit
Bei seiner Regierungserklärung spricht Scholz auffällig oft von Zuversicht - und vergleicht seine Koalition mit der Nationalmannschaft. Selbstkritik nach den schlechten Ergebnissen bei der EU-Wahl gibt es nicht.
Kurz bevor der Gong zur Sitzungseröffnung ertönt, wandert Bundeskanzler Olaf Scholz durch den Plenarsaal - auf der Suche nach Abgeordneten, denen er die Hand schütteln kann. Der SPD-Politiker macht einen kurzen Stopp bei der eigenen Fraktion, wechselt höfliche Worte mit den Grünen. Und findet dann Friedrich Merz. Mit dem Fraktionsvorsitzenden der Union und seinen Mitstreitern hält der Kanzler den längsten Smalltalk an diesem Sitzungstag, direkt vor der Oppositionsbank.
Auch in der Kanzler-Rede gibt es den Scholz, der klar um Zustimmung aus der Union wirbt oder zumindest Gemeinsamkeiten betont. Etwa dann, wenn er die jüngsten internationalen Personalentscheidungen lobt: Mark Rutte, der scheidende niederländische Ministerpräsident und erfahrene Konservative, werde ein sehr guter NATO-Generalsekretär sein, sagt Scholz.
Debatte von Innenpolitik dominiert
Auch Ursula von der Leyens zweite Amtszeit als EU-Kommissionschefin müsse man jetzt schnell auf den Weg bringen, mahnt Scholz: "Wir dürfen uns keine Hängepartie in diesen schwierigen Zeiten leisten", sagt er. Eine handlungsfähige NATO und EU seien auch immer ein Zeichen Richtung Russland, das versuche, Europa und seine Gesellschaften zu spalten. Das bekommt den erwartbaren Beifall von Merz und anderen auf den Oppositionsbänken.
Angekündigt war diese Rede als eine "Regierungserklärung zum Europäischen Rat und zum NATO-Gipfel" - kurz bevor Scholz am Donnerstag nach Brüssel reist und im Juli nach Washington. Da gibt es einige Übereinstimmung zwischen Kanzler und Opposition.
Doch bemerkenswert ist an diesem Tag, wie sehr die Debatte von der Innenpolitik dominiert wird. Einen großen Teil seiner Redezeit verwendet Scholz auf Themen wie die Migrationspolitik, die Wirtschaftsförderung oder die Energiewende.
Rund ein Dutzend Mal geht es um Zuversicht
Selbstkritik klingt auch nach den schlechten Ergebnissen bei der Europawahl nicht an. Dass China und die EU jetzt in Sachen Autozölle verhandeln, sei "auch der Initiative des Kanzlers zu verdanken", sagt Scholz über sich selbst. Und wundert sich, dass die Unionsfraktion dieses Mal nicht zustimmt. "An dieser Stelle könnten Sie klatschen, Sie haben ja schon an anderer Stelle geklatscht", ruft er Merz zu.
Rund ein Dutzend Mal spricht Scholz am Rednerpult von "Zuversicht". Angesichts vieler Krisen sei "vielen die Zuversicht abhandengekommen". Deshalb müsse man dafür sorgen, "dass Zuversicht wieder wächst", sagt er - und schließt gleich den nächsten Glaubenssatz an: "Und wir müssen dort, wo Zuversicht fehlt, sie neu begründen."
Lacher aus der Opposition über die Haushaltsgespräche
Der Auftritt als Optimismus-Kanzler zieht sich wie ein roter Faden durch seine Amtszeit - in Neujahrsansprachen, Bundestagsreden oder Interviews auf Schloss Meseberg. Doch je mehr Scholz dieses Leitmotiv beschwört, desto mehr fällt auf, dass die politischen Befreiungsschläge, etwa in den Haushaltsverhandlungen, fehlen.
Das wird klar, als Scholz selbst an dieser Stelle versucht, allein mit Zuversicht weiterzukommen. Es würden "sehr kollegiale Gespräche in der Bundesregierung stattfinden", sagt er über die Haushaltsgespräche - und erntet nur Lacher aus den Oppositionsfraktionen.
Gerade erst wurde bekannt, dass sich der Termin für die Haushaltseinigung im Kabinett wohl verschiebt. Statt Anfang Juli wird es wohl mindestens zwei Wochen länger dauern. Die engsten Verhandler - Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner - seien noch nicht durch, heißt es aus Koalitionskreisen. Ob sie sich überhaupt aufeinander zu bewegen, ist unklar.
Scholz feuert die eigene Truppe an
Für das Fazit seiner Rede hat sich Scholz den Fußball als Beispiel vorgenommen. Auch hier bleibt der der Optimismus-Kanzler, der zu den Details aber schweigt: Vieles an den öffentlichen Debatten über die Lage im Land erinnere ihn "an das Geraune vor der EM", sagt er. "Noch Anfang des Jahres haben viele große Skepsis gehabt über die Zukunftsperspektiven von Fußballdeutschland. Dann zwei wichtige Siege und Spirit im Team - und im Land hat sich ganz schön viel verändert."
Siege und Teamspirit - vielleicht feuert Scholz damit auch die eigene Truppe ein bisschen an. Die Europameisterschaft und der Haushaltsendspurt, beides dürfte in den kommenden Wochen um die mediale Aufmerksamkeit ringen. Die deutsche Mannschaft steht im Achtelfinale. Ob das schwierige Projekt Haushalt auf einem guten Weg ist, darüber gibt diese Kanzlerrede keinen Aufschluss.