SPD setzt auf Rente als Thema im Osten "Weihnachtsgeld" statt Einschnitte
Die SPD hat in der Rente ihr Ost-Thema gefunden. Das soll vor den Landtagswahlen bei der Abgrenzung von der CDU helfen. In Thüringen will die Partei darin auch ein Mittel gegen Populismus ausgemacht haben.
Georg Maier meint, etwas gegen die AfD gefunden zu haben. Ende Mai hatte Maier, Thüringens Innenminister und Spitzenkandidat der SPD zur Landtagswahl, eine Einmalzahlung für Menschen mit niedriger Rente vorgeschlagen. Empfänger einer Grundrente könnten in Thüringen demnach wie bei einem Weihnachtsgeld 500 Euro pro Jahr erhalten. Vorbild sei eine ähnliche Regelung in der Schweiz.
Maier: "Populisten das Wasser abgraben"
Tatsächlich begrüßen zwei Drittel der Thüringer diesen Vorschlag. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Demnach befürworteten 66 Prozent der Befragten die Idee. Unter den Anhängern von AfD (68 Prozent) und der Wagenknecht-Partei BSW (71 Prozent) waren es sogar etwas mehr. Am höchsten war die Zustimmung unter Anhängern der Linken (78 Prozent) und der SPD (76 Prozent). Eine Mehrheit gab es nur unter FDP-Anhängern nicht.
Für Georg Maier zeigen die Daten eins: Seine Partei habe einen Ansatz gefunden, der geeignet sei, "auch Wählerinnen und Wähler der AfD anzusprechen". Gegen die soziale Schere zwischen Ost und West müsse konkret vorgegangen werden, sagte Maier dem ARD-Hauptstadtstudio. "So kann man den Populisten hier am besten das Wasser abgraben, ohne die Nazi-Keule zu schwingen."
Die SPD steht in Umfragen zur Landtagswahl aktuell bei sieben Prozent, die AfD um die 29 Prozent. Den Freistaat Thüringen würde die Einmalzahlung rund 27 Millionen Euro pro Jahr kosten. Sowohl Linke als auch CDU zeigten sich bislang offen dafür. Andere Vorschläge wie jener der CDU auf Bundesebene, die Arbeit von Rentnern steuerfrei zu stellen, wurden in der Umfrage allerdings nicht abgefragt.
Zehntausende bekommen Grundrentenzuschlag
Der Kreis der Begünstigten wäre groß: Rund 54.000 Menschen in Thüringen erhielten laut Deutscher Rentenversicherung Ende 2022 eine Grundrente. In Sachsen waren es rund 101.000 Menschen. In neun von zehn Fällen handelte es sich um einen Zuschlag zur Altersrente. In Thüringen betrug dieser Zuschlag im Schnitt 72 Euro pro Monat.
Insgesamt ist der Anteil der Empfänger in Ostdeutschland höher als im Westen - unter ihnen sind zudem doppelt so viele Frauen wie Männer. Georg Maier will die geplante Einmalzahlung langfristig bundesweit einführen.
Bewegung bei Rentenangleichung
Nicht erst seit der verlorenen Europawahl versucht die SPD die Rentenpolitik als Teil ihrer Ost-Kompetenz auszustellen. So sollen die Renten in Ostdeutschland sich langfristig denen im Westen angleichen.
Schon vergangenes Jahr war der Rentenwert erstmals zwischen Ost und West gleich gewesen - und damit ein Jahr früher als gesetzlich vorgesehen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) führte das auf die höhere Lohnsteigerungen in Ostdeutschland zurück.
Allerdings entfiel damit auch der Aufwertungsfaktor für ostdeutsche Renten. Das ifo-Institut Dresden sieht deshalb eine Schlechterstellung der Beitragszahler in Ostdeutschland. Immerhin besteht weiterhin eine große Lohnlücke zwischen Ost und West.
Auseinandersetzung mit CDU und FDP
Wohl hilfreicher für die SPD sind da Forderungen aus Union und FDP, Rentenerhöhungen auszusetzen, das Renteneintrittsalter zu erhöhen oder die Rente mit 63 zu reformieren.
Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer etwa hatte im Sommer 2023 vorgeschlagen, die Rente mit 63 ganz abzuschaffen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Auch in einem Interview diesen Mai im "Handelsblatt" sagte Kretschmer, Rentenniveau, -beiträge und -eintrittsalter sowie die Bundeszuschüsse in die Rentenkasse könnten nicht belassen werden wie bisher. "An einer oder mehreren Stellen müssen wir eingreifen", so Kretschmer.
Petra Köpping, Sachsens Sozialministerin und SPD-Spitzenkandidatin, hat Kretschmers Vorschläge wiederholt zurückgewiesen. Bei solchen Plänen sei "steigende Altersarmut programmiert", sagte Köpping im März. Mit der SPD werde es keine Experimente bei der Rente geben.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Veränderungen beim Renteneintrittsalter und der Rente mit 63 zuletzt eine Absage erteilt. Es handele sich dabei um "eine unverrückbare Position eines sozialdemokratischen Kanzlers", so Scholz. Sozialdemokraten aus den Ost-Landesverbänden verwiesen in den Folgewochen immer wieder auf Scholz und sein Nein.
SPD will "Verlässlichkeit" bei Renten
Mit dem Rentenpaket II hat die Bundesregierung erst Ende Mai festgelegt, dass das Rentenniveau bis 2039 bei mindestens 48 Prozent bleiben soll. Für die Finanzierung soll einerseits unter dem Begriff "Aktienrente" ein Kapitalstock an der Börse aufgebaut werden. Andererseits werden steigende Beiträge für Erwerbstätige in Kauf genommen.
Aus der Ost-SPD kam dennoch Zuspruch. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sagte: "Wir brauchen Verlässlichkeit bei der Rente." Schwesig erinnerte daran, dass die gesetzliche Rente für die meisten älteren Menschen in Ostdeutschland das einzige Alterseinkommen sei.
Thüringen, Sachsen und Brandenburg wählen im September neue Landtage. Die SPD regiert derzeit in allen Ländern mit. In Brandenburg stellt sie mit Dietmar Woidke den Ministerpräsidenten.