Bundestagswahl im Februar Wie stehen die Chancen für Schwarz-Grün?
Immer wieder schießt CSU-Chef Söder gegen den Grünen-Spitzenkandidat Habeck. Kann es nach der Bundestagswahl im Februar trotzdem eine schwarz-grüne Koalition geben? Es gibt auch andere Töne aus der Union.
Markus Söder vergisst nicht - und den 28. Februar dieses Jahres wohl schon gar nicht. Die Handwerksmesse in München war an diesem Tag hochkarätig besucht. Sowohl der bayerische Ministerpräsident als auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen waren gekommen und saßen gemeinsam auf einer Podiumsdiskussion mit dem Titel "Zeit, zu machen".
Was sich dort allerdings abspielte, sollte vor allem relevant für das künftige Verhältnis zwischen Söder und Habeck werden. Denn es dauerte nicht lange und sie gerieten in Streit über das Thema Atomkraft.
Söder warf Habeck vor, die Atomkraftwerke zu früh vom Netz genommen zu haben. Habeck reagierte mit einem langen Monolog: Der CSU-Chef mache sich unglaubwürdig, wenn man für Atomkraft sei, Bayern aber gleichzeitig sage: "Kein Atomendlager bei uns." Das Publikum applaudierte und Söder war mehr als verstimmt.
Söder: "Mit mir geht Schwarz-Grün nicht"
Sollte es vor dieser Veranstaltung noch einen Funken Sympathie zwischen diesen beiden Männern gegeben haben, so war der danach wohl endgültig erloschen. Es vergeht nun kaum ein Interview, in dem der CSU-Chef nicht rhetorisch auf Habeck und seine, wie Söder sagt, gescheiterte grüne Wirtschaftspolitik einprügelt.
Es scheint, Söder habe was Habeck angeht eine Art Obsession entwickelt. Im ARD-Sommerinterview im September trieb Söder seinen Anti-Grünen-Kurs auf die Spitze: "Mit mir geht Schwarz-Grün nicht. Da kann sich auch jeder drauf verlassen." Gemeint war: ein kategorisches Nein zu einer Koalition aus Union und Grünen im Bund.
In der CDU-Spitze zog man damals genervt die Augenbrauen nach oben. Diese Koalitionsdebatte könne gerade niemand gebrauchen.
Romantisierung der Großen Koalition?
Auch jetzt nach dem Ampel-Aus will zumindest die CDU es vermeiden, öffentlich darüber zu sprechen, wer nach der Bundestagswahl der wahrscheinlichste Partner sein könnte. Ob Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot der bessere Weg wäre? Auch innerparteilich ist diese Debatte noch lang nicht ausgefochten.
Noch vor ein paar Monaten schien die Antwort eindeutig. Auch angefacht durch die Anti-Grünen-Tiraden aus Bayern war eine Art Romantisierung der früheren Großen Koalition in der Union spürbar. Mit der SPD hätte man zwar nicht immer nur gute Erfahrungen gesammelt, aber zumindest wisse man, was auf einen zukommt.
Im Bund wäre eine Regierung aus Union und Grünen ein Novum. Die romantischen Gefühle für die SPD sind mittlerweile aber passé. Insbesondere nach dem Ampel-Aus hat sich der Ton zwischen den Sozialdemokraten und der Union verschärft. Das bedeutet allerdings nicht, dass CDU und CSU jetzt ihre Liebe für die Grünen entdeckt haben. Der Beziehungsstatus "Es ist kompliziert" gilt für beide.
Freundliche Tage zwischen Merz und den Grünen
Während der Chaostage nach dem Ampel-Aus ging es zumindest auffällig freundlich zwischen Merz und den Grünen-Parteispitzen zu. Der CDU-Chef hatte sich sowieso stets geweigert, eine Zusammenarbeit derart rigoros auszuschließen, wie es Söder getan hat.
Als es darum ging, einen Neuwahltermin zu finden, soll Merz regelmäßig mit bei den Vorsitzenden der Grünen-Bundestagsfraktion angerufen haben - offenbar, damit nicht der Eindruck entsteht, Union und SPD würden sich bereits auf Schwarz-Rot vorbereiten. Merz soll es auch sehr wichtig gewesen sein, dass Vertreter der Grünen im Schloss Bellevue mit am Tisch saßen, als mit dem Bundespräsidenten der Weg bis zur Bundestagswahl besprochen wurde.
Stirnrunzeln in der Ost-CDU
In einigen CDU-Landesverbänden blickt man angesichts des sich andeutenden Stimmungswandels gerade wohlwollend in Richtung Berlin. Denn Daniel Günther, Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, und sein Amtskollege in Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, verkaufen ihre schwarz-grünen Landesregierungen gern als leuchtendes Vorbild auch für den Bund.
In der Ost-CDU sorgt das Flirten mit Grünen, auch wenn es nur ein vorsichtiges ist, für Stirnrunzeln. Die Wählerschaft dort hegt eine ähnlich große Abneigung gegenüber den Grünen wie Markus Söder. Wobei die Frage ist, ob der CSU-Chef ein Problem mit der Grünen-Partei hat oder es ihm im Grunde um den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck geht.
In dieser Art der Kritik sind sich CDU und CSU zumindest einig. Der gebetsmühlenartig wiederholte Vorwurf: Die grüne Wirtschaftspolitik habe Deutschland in die Rezession getrieben.
Knackpunkte beim Bürgergeld und in der Außenpolitik
Sollte es tatsächlich zu Sondierungs- oder gar Koalitionsgesprächen kommen, wird es an der Wirtschaftspolitik aber wahrscheinlich kaum scheitern. Im Gegenteil: Vor allem in der CDU gibt es mittlerweile einige Sympathien dafür, die Schuldenbremse auf Länderebene für Investitionen zu lockern. Etwas, worum Grüne und SPD in der Ampel lange gefordert haben, die FDP ihnen aber verwehrt hat.
Die Knackpunkte liegen also woanders, unter anderem beim Bürgergeld. Die Union hat dessen Abschaffung derart offensiv gefordert, dass es fast zwingend für die Glaubwürdigkeit von CDU und CSU ist, dieses Versprechen auch einzuhalten. Mit den Grünen wäre das sicher realistischer umzusetzen als mit der SPD. Denn für die Partei war das Bürgergeld mehr als nur ein Herzensprojekt, es war eine Art Trauma-Bewältigung nach den von ihnen eingeführten Hartz-IV-Reformen.
Auch in der Außenpolitik wird es zwischen Grünen und Union wahrscheinlich besser harmonieren. Es ist kein Geheimnis, dass Außenministerin Annalena Baerbock die zögerliche Haltung des Bundeskanzlers missbilligt, was Waffenlieferungen an die Ukraine angeht. CDU-Chef Merz hat sich stets dafür positioniert.
Wenig Gesprächsbereitschaft zwischen Merz und Scholz
Allerdings hat das schwarz-grüne Gedankenspiel einen großen Haken: das Thema Migration. Es könnte zum Deal Breaker werden, denn dort liegen zwischen den Parteien derart tiefe Gräben, dass es kaum vorstellbar ist, wie die überwunden werden sollen. Bei der Unions-Forderung, Geflüchtete an der Grenze zurückzuweisen, stellen sich beim Großteil der Grünen-Parteimitglieder die Nackenhaare auf.
Die Gespräche mit der SPD zu diesem Thema würden wohl offener verlaufen. Die Frage ist aber, wie stabil die Gesprächsgrundlage zwischen den Parteien überhaupt noch ist. Das Tischtuch zwischen Friedrich Merz und Olaf Scholz ist jedenfalls zerschnitten. Da lasse sich auch nichts mehr flicken, heißt es in der Union. Die beiden Männer gemeinsam in Verhandlungen über eine Zusammenarbeit? Zumindest aktuell scheint das kaum machbar.
Söders Einverständnis könnte teuer werden
Wer am Ende für welche Partei Entscheidungsträger sein wird, wird sich erst nach der Bundestagswahl klären. Dann wird sich auch zeigen, wie tief die Ressentiments bei den jeweils handelnden Akteuren sitzen.
Bei Markus Söder zumindest scheinen sie kilometertief zu sein. Als Friedrich Merz Mitte der Woche in der ARD-Sendung Maischberger auf die Frage nach einem künftigen Ministeramt für Robert Habeck sagte, dass ein Politikwechsel nötig sei, "mit Habeck oder ohne Habeck", widersprach Söder prompt. Und zwar per Video über die sozialen Medien: Habeck könne keine Wirtschaftspolitik.
Es schien ihm ein persönliches Anliegen zu sein. Ein "Meinetwegen" zu den Grünen und Habeck müsste die CDU Söder also sehr teuer abkaufen. Eine gute Währung dafür wären Ministerposten. Auch wenn Söder selbst sich hart gibt, klingt sein Vertrauter, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, etwas milder: Sein Eindruck sei, dass es mit diesen Grünen in vielen Grundsatzfragen nicht gehe.