Nach Ampel-Aus, vor Neuwahlen ++ Kanzler Scholz gibt Regierungserklärung ab ++
Eine Woche nach dem Bruch der Ampelkoalition spricht Kanzler Scholz im Bundestag. CDU-Chef Merz schließt eine Reform der Schuldenbremse nicht aus, um Investitionen zu ermöglichen. Die Entwicklungen im Liveblog.
- Merz schließt Reform der Schuldenbremse nicht aus
- SPD setzt auf Beschlüsse vor Neuwahlen
Vor der Regierungserklärung von Kanzler Olaf Scholz führt der Bundestag eine Geschäftsordnungsdebatte über die Tagesordnung der kommenden Tage. Auslöser war, dass die AfD die bereits beschlossene Tagesordnung für diese Woche wieder infrage gestellt hat. Sie wollte mehrere zusätzliche Punkte beraten lassen - was die anderen Parteien ablehnten. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion warf diesen vor, die Parlamentsarbeit zu unterdrücken. Er wollte in dieser Woche noch eine Rückkehr zur Kernkraft, einen Stopp der Zuwanderung und ein Ende des Lieferkettengesetzes beraten lassen.
Katja Mast, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, verteidigte die Tagesordnung als angemessen für die derzeitige "besondere Situation". Diese erfordere "von uns allen verantwortungsvollen Handeln". Der CDU-Politiker Thorsten Frei erklärte "die schmale Tagesordnung" mit dem Scheitern der Ampelkoalition. "Die Rest-Ampel ist handlungs- und manövrierunfähig", so Frei.
Scholz gibt Regierungserklärung ab
Eine Woche nach dem Bruch der Ampelkoalition spricht Olaf Scholz im Bundestag. Die Regierungserklärung des Bundeskanzlers überträgt tagesschau24 live:
Dröge kritisiert Neuwahl-Debatte
Die Chefin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge, hat Kritik am Verhalten von Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Planung der Neuwahl geübt. Das Grundgesetz sehe vor, dass der Kanzler über den Zeitpunkt der Vertrauensfrage entscheide - aber nicht, dass sie "zum Gegenstand politischer Deals wird", sagte Dröge dem Handelsblatt. Der Streit zwischen Scholz und dem Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, habe unnötig verunsichert: "Dieser ganze Streit zwischen CDU und SPD um das Datum des Wahltermins war schädlich", so Dröge.
Nachdem er über seine Absicht informiert hat, für die CDU zu kandidieren, ist für Thomas Haldenwang an der Spitze des Verfassungsschutzes vorzeitig Schluss. Haldenwang arbeite nicht mehr als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), informierte Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Mitglieder des Innenausschusses nach Angaben eines Sprechers. Der Inlandsgeheimdienst soll den Angaben zufolge zunächst durch die beiden Vizepräsidenten, Sinan Selen und Silke Willems, geleitet werden.
"Das bisherige Amt des BfV-Präsidenten gilt es klar zu trennen von einer Kandidatur für den Deutschen Bundestag", sagte der Sprecher. Haldenwang hatte Faeser Anfang der Woche über seine geplante Kandidatur für die CDU informiert.
Erstmals seit dem Ende der Ampelkoalition ist die rot-grüne Minderheitsregierung zu einer Kabinettssitzung zusammengekommen. Der Ministerrunde unter Vorsitz von Bundeskanzler Olaf Scholz gehören seit dem Koalitionsbruch keine Ministerinnen und Minister der in die Opposition gewechselten FDP mehr an. Unter den Teilnehmern war aber Justiz- und Verkehrsminister Volker Wissing, der vergangene Woche aus der FDP ausgetreten war und - anders als die anderen Liberalen - seinen Ministerposten behielt.
Der Co-Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil, unterstützt trotz schlechter Umfragewerte Olaf Scholz als Spitzenkandidat bei der Neuwahl zum Bundestag im Februar. Er habe den Bundeskanzler gestern in der SPD-Fraktion erlebt, sagte Klingbeil dem NDR. "Das war kämpferisch, da gab es wahnsinnig viel Applaus." Man habe gemerkt, dass die SPD-Fraktion hinter Scholz stehe. "Die will mit ihm in den Wahlkampf gehen. Der Kanzler geht voran", so Klingbeil.
Der SPD-Co-Vorsitzende erklärte, er erwarte heute im Bundestag eine starke Regierungserklärung. Der Kanzler werde den Ton setzen. Scholz trete an für die Themen Rente, Arbeitsplätze und wirtschaftliche Stärke des Landes. Dafür unterstütze die SPD-Fraktion den Kanzler voll.
Wegen einer Panne an einem Regierungsflugzeug sitzt Vizekanzler Robert Habeck in Lissabon fest und verpasst die Regierungserklärung von Kanzler Olaf Scholz sowie die anschließende Debatte im Bundestag. Die Rückkehr von einem Besuch in der portugiesischen Hauptstadt verzögere sich so lange, dass die Teilnahme Habecks am Nachmittag nicht mehr möglich sei, sagte eine Ministeriumssprecherin. Der designierte Kanzlerkandidat der Grünen hätte eine Rede bei der Debatte halten sollen.
Eine Woche nach dem Aus der Ampelkoalition gibt Bundeskanzler Olaf Scholz heute um 13:00 Uhr im Bundestag eine Regierungserklärung zur aktuellen Lage ab. Auf den SPD-Politiker folgen Ansprachen von Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) und des CSU-Vorsitzenden Markus Söder, der als Vertreter des Bundesrats an der Plenarsitzung teilnimmt. tagesschau24 wird die Regierungserklärung live übertragen.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hält eine Reform der Schuldenbremse für möglich. Selbstverständlich könne man die Schuldenbremse, die die jährliche Neuverschuldung des Bundes auf maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beschränkt, reformieren. Die Frage sei aber, mit welchem Zweck, sagte der CDU-Vorsitzende auf dem Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung. "Ist das Ergebnis, dass wir noch mehr Geld ausgeben für Konsum und Sozialpolitik? Dann ist die Antwort Nein", so Merz. "Ist das Ergebnis, es ist wichtig für Investitionen, es ist wichtig für Fortschritt, es ist wichtig für die Lebensgrundlage unserer Kinder? Dann kann die Antwort eine andere sein."
Hintergrund ist eine Debatte auch in der Union, ob man die Schuldenbremse reformieren sollte. Nicht nur SPD und Grüne, sondern auch etliche CDU-Ministerpräsidenten plädieren für eine Reform - unter anderem, um die sehr strengen Vorgaben für die Bundesländer zu lockern. Die SPD und Grünen hatten eine Reform gefordert, um mehr Investitionen zu ermöglichen. Dies haben die Bundestagsfraktion der FDP und Union bisher strikt abgelehnt.
SPD setzt auf Beschlüsse vor Neuwahlen
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch setzt darauf, dass es ungeachtet fehlender parlamentarischer Mehrheiten für die rot-grüne Regierung vor Neuwahlen noch zu Beschlüssen etwa für Steuererleichterungen und den Fortbestand des Deutschlandtickets kommt. "Ich hoffe, dass wir, wenn der Rauch jetzt verflogen ist, über diese Themen gemeinsam beraten und entscheiden", sagte Miersch im Morgenmagazin von ARD und ZDF. In der Steuerpolitik geht es um den Ausgleich der sogenannten kalten Progression sowie um die Erhöhung des Kindergelds.
Miersch begrüßte, dass es nun Klarheit über den 23. Februar als Termin für vorgezogene Neuwahlen zum Bundestag gibt. Jetzt aber "sollten wir uns auf die Themen konzentrieren, die möglicherweise noch beschlossen werden können", sagte der SPD-Politiker. Für Beschlüsse im Bundestag ist die Minderheitsregierung auf die Unterstützung der Union oder FDP angewiesen.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat nach der Einigung auf einen Termin für eine Neuwahl die Hoffnung auf eine Umsetzung ausstehender Regierungsprojekte gedämpft. "Wir werden nicht die herabfallenden Trümmer einer gescheiterten Ampel auffangen", sagte Dobrindt im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Die Unionsparteien wollten nur bei Projekten mit der Regierung zusammenarbeiten, "die zwingend notwendig sind, die einen Zeitplan haben".
Projekten wie der Kindergelderhöhung oder einem Sofortmaßnahmenpaket für die Wirtschaft erteilte der CSU-Landesgruppenchef eine Absage: "Wir haben keinen Haushalt für 2025", betonte Dobrindt. "Wir werden jetzt nicht innerhalb weniger Tage einen Haushalt für 2025, mit wem auch immer, aufstellen können." Dies sei die Aufgabe einer neuen Bundesregierung. Es gebe "keine Mehrheit für Projekte der Ampel" im Bundestag.
Günther weiter offen für Schwarz-Grün
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hat die Union zur Offenheit in der Koalitionsfrage im Bund aufgefordert. "Ich werde in meiner Partei für eigene Stärke werben: Nicht Ausschließeritis betreiben, sondern selbstverständlich können wir nach einer Wahl mit allen drei Parteien regieren", sagte der CDU-Politiker der Nachrichtenseite Politico.
Günther riet davon ab, die Grünen als möglichen Partner auszuschließen. Mit dem amtierenden Vizekanzler Robert Habeck habe er gute Erfahrungen in Schleswig-Holstein gesammelt. "Wir waren zusammen in einer Regierung und haben extrem vertrauensvoll zusammengearbeitet", sagte der CDU-Politiker.
Eine Zusammenarbeit mit dem früheren Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schätzte Günther eher kritisch ein. "Ich fand in diesem Bündnis nicht, dass die FDP eine tragende Kraft in dieser Koalition gewesen ist, sondern eher Opposition innerhalb einer Regierung gespielt hat", sagte er. "Da liegt dann oft kein Segen drauf."
Acht Kleinparteien fordern in einem offenen Brief an die Bundesregierung und den Bundestag niedrigere Hürden für die vorgezogene Wahl. "Übereilte Neuwahlen würden uns Kleinparteien erheblich benachteiligen", erklären sie in dem Schreiben. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Ökopartei ÖDP, die Piratenpartei und die Tierschutzpartei.
Um bundesweit zur Wahl zugelassen zu werden, müssten die Parteien nach den derzeitigen Regeln mehr als 27.000 Unterstützungsunterschriften für ihre Landeslisten sammeln, erläutern sie. "Regulär hätten wir dafür mehrere Monate bis in den Sommer Zeit." Mit vorgezogenen Wahlen am 23. Februar würden ihnen hingegen nur wenige Wochen bleiben. "Diese Hürde in so kurzer Zeit ist unzumutbar und widerspricht den Grundsätzen einer fairen Demokratie." In ihrem Brief fordern die Parteien deshalb, die Zahl der erforderlichen Unterschriften zu senken und digitale Unterschriften zuzulassen.
Liveblog vom Dienstag
Der neue Bundesfinanzminister Jörg Kukies geht nicht davon aus, dass es eine Haushaltssperre geben wird. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sieht für ihre Partei durch den Zeitdruck Herausforderungen. Die Entwicklungen vom Dienstag zum Nachlesen.