Intel-Zentrale in Santa Clara, Kalifornien (USA)
analyse

Vorerst keine Chipfabrik in Magdeburg Was Intels Rückzieher bedeutet

Stand: 17.09.2024 15:31 Uhr

Der angekündigte Bau einer Intel-Fabrik in Magdeburg wird offiziell verschoben. Das ist ein Rückschlag für die Ampel-Regierung und den US-Chipkonzern. Und es bleiben Zweifel, ob das Werk je entsteht.

Von Detlev Landmesser, ARD-Finanzredaktion

Es ist ein Tiefschlag für die Region. Seit zweieinhalb Jahren, als Intel den Zuschlag für einen Produktionskomplex in Magdeburg gab, arbeiteten Stadt und Land an einem riesigen Gewerbepark und die dafür nötige Infrastruktur. Im Vordergrund stand die Hoffnung auf rund 3.000 Arbeitsplätze bei den beiden Intel-Werken und zahlreiche mehr bei weiteren Ansiedlungen von Zulieferern und Dienstleistern.

Schon bald wurden diese glänzenden Aussichten allerdings durch schwache Geschäftszahlen des amerikanischen Chipriesen getrübt, der unter dem Rückgang des PC-Markts litt und kein Rezept fand, nennenswert am Höhenflug des Marktes für KI-Chips teilzuhaben.

Angesichts der milliardenschweren Verluste kündigte Intel Anfang August den Abbau von rund 15 Prozent der Belegschaft an, was die Zweifel an dem geplanten 30-Milliarden-Projekt in Magdeburg wachsen ließ.

Nun hat der Konzern angekündigt, den Bau der Fabrik um "voraussichtlich zwei Jahre" zu verschieben. Das ist auch ein Rückschlag für die Strategie von Intel-Chef Pat Gelsinger, mit einer Anzahl hochmoderner Werke in der ganzen Welt zum führenden Auftragsfertiger für andere Chipfirmen zu werden.

Reaktionen der Politik auf den Intel-Baustopp

Julie Kurz, ARD Berlin, tagesschau, 17.09.2024 17:00 Uhr

"Steuerzahler können dankbar sein"

Dabei gibt es durchaus auch Stimmen, die dem Rückzieher der Amerikaner Positives abgewinnen. Schon im Vorfeld hatte der prominente ifo-Ökonom Clemens Fuest die staatliche Förderung des Projekts von bis zu zehn Milliarden Euro deutlich kritisiert. Da Intel an dem geplanten Standort keine Forschung und Entwicklung aufbaue, habe Deutschland von der Milliardensubvention insgesamt wenig.

Auch Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW-Institut hat die aktuelle Subventionspolitik grundsätzlich in Frage gestellt: "Intels Teilrückzug zeigt, wie problematisch eine Industriepolitik ist, die kurzatmig auf bestimmte Trends springt. Die Begeisterung für die Subvention von Chipfabriken war in der Zeit des akuten Chipmangels unmittelbar nach der Pandemie uferlos."

Schon zwei Jahre später sei dieser Trend Geschichte, sagte Heinemann. Selbst historisch hohe Subventionsangebote fänden keine Abnehmer mehr. "Die Steuerzahler können jetzt nur dankbar sein, dass es noch keinen Spatenstich für eine Investitionsruine gegeben hat."

Rückschlag für die Ampel

Für die Industriepolitik der Ampel ist die Nachricht gleichwohl ein schwerer Rückschlag. "Die größte ausländische Direktinvestition, die es je in Deutschland gegeben hat", wie Bundeskanzler Olaf Scholz das Großprojekt feierte, bleibt zumindest vorerst aus. Damit nimmt das Prestigeprojekt der Regierung Schaden, Deutschland zum großen Chip-Standort in Europa zu machen.

Im nahen "Silicon Saxony" gab es allerdings Fortschritte bei dem Ziel, mehr Versorgungssicherheit bei Halbleitern zu bekommen. Das zeigt etwa die Ansiedlung des taiwanesischen Chipherstellers TSMC in Dresden. Kanzler Scholz bemühte sich heute um Schadensbegrenzung und erklärte, die Entscheidung Intels für ein Aufschieben des Projekts beinhalte ja auch "die Aussage, daran festhalten zu wollen".

Zweifel an Realisierung bleiben

Doch während die Bundesregierung bereits um die Verwendung der freiwerdenden Mittel aus dem Klima- und Transformationsfonds streitet, bleibt die Frage, ob Intel tatsächlich in etwa zwei Jahren "liefern" wird - und die Fabrik in Magdeburg tatsächlich baut.

Dass die Kalifornier das Projekt nun trotz der gewaltigen Staatshilfe stoppen mussten, macht seine Realisierung jedenfalls nicht wahrscheinlicher. Die zyklische Natur des Halbleitergeschäfts macht Prognosen schwierig, und angesichts der geschäftlichen Probleme Intels ist die Investition keineswegs ausgemacht.

Der Politik bleibt nur die Hoffnung, dass der Strategiewechsel des Chipriesen in Richtung Auftragsfertigung und Künstliche Intelligenz in den kommenden Jahren Früchte trägt.

Heute verkündete Intel-Chef Gelsinger auch, dass sein Unternehmen gemeinsam mit Amazon Web Services (AWS) KI-Chips entwickeln wolle. Das beflügelte die Intel-Aktie. Bei dem Kursanstieg um bis zu sieben Prozent könnte aber auch der vorläufige Rückzug aus Magdeburg eine Rolle gespielt haben.