Sinkende Energiekosten Inflationsrate fällt unter zwei Prozent
Die Inflationsrate ist überraschend deutlich auf 1,9 Prozent gefallen. Doch Verbraucher sollten nicht zu früh frohlocken - einige Experten warnen, dass die Preise schon bald wieder steigen könnten.
Die deutsche Inflationsrate ist im August deutlich gefallen. Im laufenden Monat stiegen die Verbraucherpreise nur noch um 1,9 Prozent - und damit so wenig wie seit rund dreieinhalb Jahren nicht mehr. Im Juli war die Inflationsrate noch auf 2,3 Prozent geklettert, von zuvor 2,2 Prozent im Juni.
Niedrigere Energiepreise machen sich bemerkbar
Ökonomen zeigten sich überrascht, hatten sie doch im Schnitt nur mit einem Absinken der Inflationsrate auf 2,1 Prozent im August gerechnet. Was ist also der Grund dafür?
Die Statistiker verweisen vor allem auf die im Jahresvergleich klar gesunkenen Energiepreise. "Benzin, Diesel und Heizöl waren im August günstiger als zuvor", betonen auch die Ökonomen der Landesbank Hessen-Thüringen. So fiel der Benzinpreis dem ADAC zufolge in den vergangenen Tagen zeitweise auf den niedrigsten Stand des Jahres.
Importierte Inflation gesunken
Dabei dürfte den Verbrauchern und Unternehmen hierzulande auch ein positiver Deviseneffekt zugute gekommen sein. Im August war der Euro von unter 1,08 bis auf 1,1201 Dollar in der Spitze gestiegen. Das drückte für Verbraucher und Unternehmen in der Eurozone die Preise etwa für Kraftstoffe und Heizöl, denn wird Öl in Dollar gehandelt. Fällt der Dollar zum Euro, bekommen Käufer in der Eurozone somit mehr Öl für ihr Geld.
Dass es sich bei der "Euro-Stärke" in Wahrheit um eine Dollar-Schwäche infolge der gestiegenen US-Zinssenkungserwartungen handelt, ist aus Sicht der Verbraucher und Unternehmen zunächst zweitrangig. Allerdings könnte es sich bei der aktuellen "Stärke" des Euro um ein vorübergehendes Phänomen handeln.
Druck auf die Währungshüter wächst
Denn die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte mit den frischen Inflationszahlen aus Deutschland nun ein weiteres Argument haben, das für eine erneute Zinssenkung spricht. Am Markt wird ohnehin schon damit gerechnet, dass die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde im September abermals an der Zinsschraube drehen werden.
"Die Wirtschaft der Eurozone wächst real weiterhin nicht, und die im Vergleich zu den USA restriktive Fiskalpolitik wird in den kommenden Monaten einen hohen Zinssenkungsdruck auf die EZB ausüben", betont Eckhard Schulte, Chef des Frankfurter Vermögensverwalters MainSky Asset Management.
Die EZB hatte im Juni die Zinswende nach unten vollzogen, als sie den Zinssatz vom Rekordhoch von 4,50 auf 4,25 Prozent drückte. Ihren weiteren Kurs will sie von der Datenlage abhängig machen. Das lenkt den Fokus auf die Frage: Wie nachhaltig ist der aktuelle Rückgang der Inflationsrate?
Steigt die Inflation schon bald wieder?
Das Münchner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung ist optimistisch, rechnet mit Blick auf die kommenden Monate sogar mit noch etwas geringeren Inflationsraten. Die Teuerung werde wohl vorerst unter der Zwei-Prozent-Marke bleiben, die die Europäische Zentralbank (EZB) anstrebt, sagte ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.
Mittelfristig könnte es aber wieder aufwärts gehen, mahnen einige Experten. "In den kommenden sechs bis zwölf Monaten dürfte sich die Rate wieder in Richtung drei Prozent bewegen", ist etwa der Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank überzeugt.
Auch der Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest sieht perspektivisch wieder eine zunehmende Teuerung, da der inflationsmindernde Basiseffekt aufgrund der hohen Verbraucherpreise in den Vorjahresmonaten nicht mehr lange anhalten werde.
Verbraucher trauen fallender Inflationsrate nicht
Behalten die Verbraucher mit ihrer Konsumzurückhaltung also Recht? Im zweiten Quartal hatte der private Konsum nach Angaben des Statistischen Bundesamts um 0,2 Prozent zum Vorquartal nachgegeben. Zudem berichteten die GfK und das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM), dass sich das Konsumklima für September eingetrübt habe.
"Die Verbraucher trauen dem Rückgang der Inflation noch nicht so richtig", urteilte der ifo-Ökonom Klaus Wohlrabe. Sie hielten deshalb ihr Geld zusammen.
Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale
Tatsächlich geben auch die meisten Experten noch keine Entwarnung in Sachen Inflation. Sie verweisen auf die auch im August noch hartnäckig hohe sogenannte Kerninflation von 2,8 Prozent - und die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. Hierbei werden die besonders schwankungsanfälligen Preise von Energie und Nahrungsmitteln herausgerechnet.
Demnach führten die gestiegenen Löhne zu steigenden Produktionskosten. Diese würden von den Unternehmen wiederum in Form von Preissteigerungen weitergegeben. Im zweiten Quartal waren die Nominallöhne in der Bundesrepublik um 5,4 Prozent gestiegen, wie das Statistische Bundesamt just heute berichtete.
Weiterhin hohe Preise für Dienstleistungen
"Hohe Lohnabschlüsse treiben weiterhin die Dienstleistungspreise", heißt es von den Experten der Helaba. Viele Unternehmen versuchten, gestiegene Personalkosten an ihre Kunden weiterzureichen. Tatsächlich waren die Preise im Dienstleistungssektor im August entgegen dem allgemeinen Trend bei den Verbraucherpreisen deutlich gestiegen.
Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW-Institut bleibt daher skeptisch: "Die Dienstleistungsinflation ist für viele Menschen sehr stark sichtbar und verunsichert weiterhin. Die neuen Zahlen signalisieren somit einen Zwischenerfolg, aber noch keinen Durchbruch in Richtung Preisstabilität."