Lily Collins (l-r), Brigitte Macron, Ehefrau des französischen Präsidenten Macron, und Thalia Besson stehen zusammen für ein Selfie während der Dreharbeiten zu Folge 407 der Netflix-Serie «Emily in Paris».

"Emily in Paris" Wie eine Netflix-Serie eine Stadt aufmischt

Stand: 11.10.2024 15:12 Uhr

"Emily in Paris" gehört zu den erfolgreichsten Serien der Streaming-Plattform Netflix. Doch in der kommenden Staffel könnte "Emily in Paris" in Rom spielen. Das sorgt für Aufruhr.

Von Lilli-Marie Hiltscher, ARD-Finanzredaktion

Schrill, bunt und mit einem Hang zum Klischee: "Emily in Paris" gehört zu den erfolgreichsten Eigenproduktionen des US-Unterhaltungskonzerns Netflix. Wohl auch, weil die junge Amerikanerin Emily Cooper, gespielt von der britischen Schauspielerin Lily Collins, wegen ihres Jobs nach Paris zieht, in die französische Hauptstadt.

"Die Stadt ist ein Sehnsuchtsort für viele Menschen und übt einen besonderen Reiz aus - nicht zuletzt auch wegen der zahlreichen Filmklassiker  und Serien, die dort spielen", sagt Thorsten Hennig-Thurau, der an der Universität in Münster den Lehrstuhl Marketing und Medien leitet, gegenüber tagesschau.de.

Die Serie, die Paris schon im Namen trägt, ist untrennbar mit der französischen Hauptstadt verknüpft - bisher jedenfalls. Denn die vierte Staffel, die sich mittlerweile seit acht Wochen in den Top Ten der weltweit am meisten gesehen Netflix-Serien hält und mehr als 15,4 Millionen Stunden gestreamt wurde, endet mit einem Jobangebot für Emily in Rom. Und einer neuen Liebe dort. Die fünfte Staffel, die Netflix bereits offiziell angekündigt hat, könnte dann also in der italienischen Hauptstadt spielen.

"Wir werden hart kämpfen!"

Und das sorgt plötzlich auch politisch für Aufruhr: Frankreichs Präsident Emanuel Macron sagte in einem Interview mit dem Magazin Variety, er wolle erreichen, dass Emily in Paris bleibt. "Wir werden hart kämpfen. Und wir werden sie bitten, in Paris zu bleiben! 'Emily in Paris' in Rom ergibt keinen Sinn."

Doch warum sorgt der Wohnort einer Netflix-Figur dafür, dass sich nun der französische Präsident einschaltet? Macron selbst betont im Interview mit Variety, dass die Serie gute Werbung für Paris und für ganz Frankreich sei: "'Emily in Paris' ist super positiv in Bezug auf die Attraktivität für das Land."

Dabei sei gar nicht sicher, wie sich die Popularität der Serie tatsächlich auswirke, sagt Hennig-Thurau: "Es gibt gerade für Städte wie Paris kaum eine Möglichkeit, zuverlässig zu erfassen, wie viele Touristen wegen der Serie dorthin gekommen sind - und wieviel Geld sie ihretwegen dort ausgegeben haben." Obgleich erfolgreiche Filme und Serien natürlich dazu beitragen könnten, dass der Dreh- und Spielort zu einem Touristenmagneten werde, betont der Experte.

Filmtourismus als Geschäft

Dieses Phänomen nennt sich Filmtourismus: Dabei besuchen Touristen Gebäude, Dörfer, Städte oder Regionen, weil sie Drehorte oder Schauplätze von bekannten Filmen oder Fernsehserien sind. Die Bloggerin Andrea David etwa hat daraus ein Geschäftsmodell gemacht und sogar ein Buch über Filmtourismus veröffentlicht, "Szene für Szene die Welt entdecken" heißt es.

Auch Experte Hennig-Thurau kann Beispiele für das Phänomen nennen: "Ein Beispiel, bei dem man unzweifelhaft einen höheren Tourismus durch den Film messen kann, ist der Film "Die Verurteilten"." Der Film mit Morgan Freeman und Tim Robbins aus dem Jahr 1994 wurde im Ohio State Reformatory in Mansfield gedreht. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten ein baufälliges Gebäude, ist es heute ein Museum und ein Touristenmagnet: "Bei diesem Drehort kann man ganz klar feststellen: Der Film hat den Tourismus in der Region beflügelt. Das ist ein Ort, der den meisten Menschen vor Erscheinen des Filmes völlig unbekannt war und der nun jährlich von tausenden Menschen besucht wird", so Hennig-Thurau.

Auf den Spuren der Filmhelden wandeln

Ähnliches passiere häufig auch, wenn das Wohnhaus einer Filmfigur in einem ruhigerer Stadtviertel liege, erklärt Hennig-Thurau: "Das Wohnhaus einer Figur in einem Film oder einer Serie wird oft zu einem von Filmfans stark frequentierten Ort. Für Leute, die dort in der Umgebung leben und die Ruhe schätzen, kann das ziemlich nervig sein."

Für "Emily in Paris" etwa gibt es zahlreiche Online-Guides, die die "schönsten Drehorte der Serie" zusammenfassen, viele Menschen pilgern zu Plätzen, an denen die Serie gedreht wurde. Und zwar nicht nur zum Eiffelturm, an dem einige Hundert Touristen mehr kaum ins Gewicht fallen.

"Diese Form des Tourismus spiegelt letztlich den Zauber des Filmischen wider", so Hennig-Thurau: "Wir machen Filmfiguren zu unseren Helden und Idolen, wir führen imaginäre Beziehungen mit ihnen und lieben und leiden mit ihnen wie mit Freundinnen und Freunden. Nirgends kommen wir ihnen in der "wirklichen" Welt so nah, wie wenn wir an den Drehorten auf ihren Spuren wandeln." Das passiere bei "Emily in Paris", genauso wie es bei "Notting Hill" passiert sei, bei "ET" oder bei "Forest Gump".

Umzug nach Rom?

Gerade bei den Anwohnern lösen die Dreharbeiten aber oft wenig Begeisterung aus: Während der Dreharbeiten für die vierte Staffel von "Emily in Paris" tauchten in der ganzen Stadt Graffitis auf, die das Ende von "Emily in Paris" forderten. So stand an eine Fassade geschmiert: "Emily, casse-toi, Paris sud n’est pas à toi", was übersetzt bedeutet "Emily, verzieh dich, Süd-Paris gehört dir nicht".

Möglicherweise waren diese wütenden Anwohner nun also erfolgreich, und Emily zieht in der fünften Staffel nach Rom. Den Bürgermeister Roms freut es: "Lieber Emmanuel Macron, machen Sie sich keine Sorgen: Emily geht es in Rom sehr gut. Außerdem will das Herz, was das Herz will: Lassen wir sie entscheiden", schrieb Roberto Gualtieri auf X.