Gefechte in Khartum Machtkampf im Sudan - Zahl der Opfer steigt
Die schweren Gefechte im Sudan reißen nicht ab. Wohngebiete werden beschossen, die Zahl der Opfer steigt. Der EU-Botschafter im Sudan wurde in seiner Residenz angegriffen.
Im Sudan haben sich die schweren Gefechte zwischen den rivalisierenden Lagern der Armee und des Paramilitärs fortgesetzt. Im seit drei Tagen wütenden Machtkampf zwischen der sudanesischen Armee unter Kommando des sudanesischen Generals Abdel Fattah al-Burhan und den rivalisierenden paramilitärischen Einheiten seines Stellvertreters Mohammed Hamdan Daglo haben sich die Fronten weiter verhärtet. Die Zahl der Opfer in der Zivilbevölkerung dürfte noch weiter steigen.
Der deutsche UN-Vermittler Volker Perthes kritisierte, internationale Organisationen und Zivilisten würden bei den Gefechten zwischen der Armee und der paramilitärischen Gruppe "Rapid Support Forces" (RSF) nicht geschützt. Die Vereinten Nationen gingen bis zum Montagabend von mindestens 185 Toten und 1800 Verletzten aus - darunter seien sowohl Kämpfer als auch Zivilistinnen und Zivilisten. In der Hauptstadt Khartum gab es Perthes zufolge weiter heftige Gefechte um die geschlossenen Brücken, den internationalen Flughafen und die Hauptquartiere des Militärs und der RSF.
RSF-Führer für 24-stündige Waffenruhe
Am Vormittag sprach sich der Anführer der RSF, Daglo, unterdessen für eine 24-stündige Waffenruhe aus. "Die RSF stimmen einem Waffenstillstand zu, damit Zivilisten und Verwundete evakuiert werden können", schrieb Daglo auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
Die sudanesische Armee hingegen bestritt, Kenntnis von einem Waffenstillstand zu haben. Mehrere Versuche einer Waffenruhe waren am Sonntag und Montag laut UN-Vermittler Perthes zunächst gescheitert.
Amnesty: Zivilisten im Gefechtsgebiet gefangen
Nach Angaben von Amnesty International richtete der Einsatz schwerer Waffen, darunter Artillerie, Panzer und Düsenflugzeugen, in dicht besiedelten Gebieten in Khartum große Zerstörung an. Zivilisten seien mitten im Gefechtsgebiet gefangen, so Amnesty. Wer in dem Machtkampf der rivalisierenden Lager die Oberhand hat, blieb angesichts der unübersichtlichen Lage und der widersprüchlichen Angaben beider Konfliktparteien unklar. Bewohner der Hauptstadt Khartum berichteten von anhaltenden Schüssen und Explosionen.
Mindestens zwölf Krankenhäuser mussten im Großraum der Hauptstadt aufgrund von Beschädigungen durch die Kämpfe nach Angaben des Medizinerverbands Doctors' Syndicate schließen, berichtet die Nachrichtenagentur AP. Das sudanesische Ärztekomitee forderte die Konfliktparteien auf, ihre "ständigen Angriffe" auf Krankenhäuser, Krankenwagen und medizinisches Personal einzustellen.
Nicht nur in Khartum, auch in anderen Landesteilen gingen die Kämpfe weiter - etwa in der Stadt Merowe, die über einen wichtigen Flughafen verfügt sowie in der Stadt Njala in Darfur. Der Gouverneur von Nord-Darfur, Nimr Abdul Rahman, sagte der Nachrichtenagentur dpa, allein in seiner Region seien mindestens 65 Menschen getötet und 160 weitere verletzt worden. Die Strom- und Wasserversorgung sei aufgrund der Gewalt in Teilen Nord-Darfurs unterbrochen, so Rahman.
US-Diplomatenkonvoi unter Beschuss
Bei den Kämpfen zwischen Armee und Paramilitärs geriet offenbar auch ein US-Diplomatenkonvoi unter Beschuss. Der Konvoi sei durch Kämpfer, die mit den RSF in Verbindung stünden, am Montag beschossen worden, sagte US-Außenminister Antony Blinken. Die Menschen in dem Konvoi seien in Sicherheit. Er habe mit dem RSF-Anführer Dagalo und Armeechef al-Burhan telefoniert, um ihnen deutlich zu machen, "dass jegliche Angriffe, die unsere Diplomaten bedrohen oder gefährden, völlig inakzeptabel sind".
Die G7-Staaten verlangten von den Konfliktparteien ein sofortiges und bedingungsloses Ende der Kämpfe. "Wir rufen alle Akteure auf, auf Gewalt zu verzichten, zu Verhandlungen zurückzukehren und aktive Schritte zu unternehmen, um Spannungen abzubauen", heißt es im Abschlusspapier zum Treffen der G7-Außenminister, das heute im japanischen Erholungsort Karuizawa endete. Auch müsse die Sicherheit der Zivilisten sowie des diplomatischen und humanitären Personals gewährleistet werden.
UN-Vermittler: Anführer geben sich gegenseitig Schuld
UN-Vermittler Perthes erklärte, er werde auch heute erneut versuchen, eine belastbare Waffenruhe zwischen den Konfliktparteien auszuhandeln. In Gesprächen mit ihren Anführern hätten beide Seiten sich gegenseitig die Schuld an der Eskalation gegeben. Al-Burhan und Daglo stünden seiner Einschätzung zufolge unter hohem Druck. Perthes betonte aber, dass sie sich offen für Gespräche mit den Vereinten Nationen und anderen internationalen Akteuren gezeigt hätten.
Auch die EU bemühe sich, die Konfliktparteien davon zu überzeugen, eine humanitäre Feuerpause in Erwägung zu ziehen, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montagabend mit. Details zu den Friedensbemühungen nannte er nicht. Eine Sprecherin hatte zuvor bereits über Krisengespräche Borrells mit Spitzenpolitikern aus Kenia, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten berichtet. Drei ostafrikanische Präsidenten sowie ein Vertreter der Afrikanischen Union sollen als Vermittler nach Khartum reisen. Aufgrund der anhaltenden Kämpfe, die auch am internationalen Flughafen in Khartum ausgefochten wurden, war das bislang nicht möglich.
EU-Botschafter O'Hara angegriffen
Der EU-Botschafter im Sudan, Aidan O'Hara, wurde nach Angaben Borrells in seiner eigenen Residenz angegriffen. Die Tat stelle einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen dar, schrieb der EU-Außenbeauftragte auf Twitter. Die Sicherheit diplomatischer Einrichtungen und des Personals liege primär in der Verantwortung der sudanesischen Behörden und sei eine völkerrechtliche Verpflichtung.
Angaben zur Art des Angriffs und zu dem Täter oder den Tätern machte Borrell nicht. Er ließ auch unklar, ob der Botschafter verletzt wurde oder mit dem Schrecken davonkam. Aus Diplomatenkreisen hieß es am Abend in Brüssel, der Botschafter sei wohlauf und nicht verletzt worden.
Der Machtkampf im Sudan lässt das flächenmäßig drittgrößte Land Afrikas mit seinen rund 46 Millionen Einwohnern und reichen Öl- und Gold-Vorkommen zunehmend im Chaos versinken. Der Sender Sky News berichtete, al-Burhan habe in einem Telefoninterview am Montag Gesprächsbereitschaft signalisiert. "Jeder Krieg endet in Verhandlungen, auch wenn der Gegner besiegt ist", sagte er demnach. Die Armee werde siegen - "definitiv, so Gott will". Konkrete Angaben zu möglichen Verhandlungen machte al-Burhan jedoch nicht.