Annalena Baerbock bei der Ankunft in Damaskus.

Baerbock in Syrien Annäherung nach Jahren der Zwangspause

Stand: 03.01.2025 12:15 Uhr

Zwölf Jahre lang gab es keine diplomatischen Beziehungen zum Assad-Regime in Syrien: Nun besucht Außenministerin Baerbock nach dem Machtwechsel das Land. Was kann und will die Bundesregierung tun?

Von Christina Nagel, ARD-Hauptstadtstudio

Für den erfahrenen deutschen Spitzendiplomaten Michael Ohnmacht ist es ein besonderer Moment. Einer, den er kurz vor Weihnachten festhält für die deutsche und die syrische Community: in einem zweisprachigen Instagram-Post. Die deutsche Diplomatie sei zurück in Syrien, erklärt er vor der Deutschen Botschaft in Damaskus - nach zwölf langen Jahren. 

Im Januar 2012 war die Botschaft wegen des syrischen Bürgerkrieges geschlossen worden. Die Kontakte zum Assad-Regime wurden auf Eis gelegt. Nicht aber die zur syrischen Opposition, zu Teilen der Zivilgesellschaft und zu Hilfsorganisationen. Auch das Entwicklungsministerium spielte dabei eine wichtige Rolle.

Es sind Kontakte, die jetzt nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad, ausgebaut werden sollen, betonte der Sonderkoordinator der Bundesregierung für Syrien, Tobias Lindner, kurz nach seiner Ernennung: "Es muss jetzt darum gehen, dass die Syrerinnen und Syrer wirklich eine Zukunft haben können - in Sicherheit und Würde. Natürlich unter Beachtung der territorialen Integrität des Landes."

Acht-Punkte-Plan soll bei Machtwechsel helfen

Nicht einmal letzteres ist eine Selbstverständlichkeit. Die Nachbarländer Türkei und Israel gehen weiter militärisch in Syrien vor. Trotz wiederholter Appelle der deutschen Außenministerin, dass jetzt das Wohlergehen der Menschen in Syrien im Zentrum stehen müsse. "Nicht regionale Machtinteressen", sagte Annalena Baerbock.

Die Außenministerin hat einen Acht-Punkte-Plan erarbeiten lassen, der helfen soll, dass ein friedlicher Machtwechsel gelingt: Dazu brauche es eine zivile, von allen Seiten akzeptierte Regierung, bei der alle Minderheiten und politische Gruppen mit am Tisch sitzen und ihre Anliegen einbringen könnten.  

"Ein Weg, der dann über den Aufbau einheitlicher staatlicher Strukturen führt", so Baerbock. "Und an dessen Ende hoffentlich eines Tages freie Wahlen stehen werden."

Wahlen will die von Islamisten dominierte Übergangsregierung aber erst in vier Jahren ansetzen. Was bis dahin geschieht, ist offen.  

Jean-Noel Barrot und Annalena Baerbock posieren im Saydnaya-Gefängnis nördlich von Damaskus für ein Foto mit syrischen Rettungskräften.

Annalena Baerbock und der französische Außenminister Jean-Noel Barrot stehen mit Rettungskräften im Saidnaja-Gefängnis nördlich von Damaskus.

Kontakte sollen ausgebaut werden

Bisher geben sich die islamistischen HTS-Milizen, die aktuell das Sagen haben, moderat und schlagen diplomatische Töne an. Von den Vereinten Nationen sind sie als Terrororganisation gelistet. 

Die ideologischen Wurzeln von HTS seien nicht vergessen, betonte Baerbock bei der Vorstellung des Acht-Punkte Plans. "Deshalb ist klar, wir werden HTS an ihren Taten messen." Um das tun zu können, sollen die direkten Kontakte intensiviert werden. Diplomaten sollen möglichst viel vor Ort sein.  

Baerbock nennt Bedingungen für Zusammenarbeit

Mit ihrem Besuch in Damaskus will die deutsche Außenministerin gemeinsam mit ihrem französischen Amtskollegen Jean-Noël Barrot unterstreichen, dass ein politischer Neuanfang möglich ist. Die Bedingungen hat sie im Vorfeld klar skizziert: "Jede Zusammenarbeit setzt voraus, dass ethnisch und religiöse Minderheiten geschützt und die Rechte von Frauen geachtet und Racheakte unterbunden werden."

Es wird ein langer, steiniger Weg - dessen ist sich die Bundesregierung bewusst. Ein diplomatischer Balanceakt, bei dem es gilt, politischen Druck und weitere finanzielle Hilfen vor allem im humanitären Bereich fein auszutarieren und den Ruf Deutschlands in Syrien als "ehrlicher Makler" geschickt zu nutzen.  

Die Hoffnung auf ein freies, friedliches Syrien, in das die vielen Vertriebenen und Geflüchteten zurückkehren können, ist aus Sicht der deutschen Diplomaten jeden Versuch wert.

Christina Nagel, ARD Berlin, tagesschau, 03.01.2025 10:45 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 03. Januar 2025 um 12:00 Uhr.