Großansiedlung in Brandenburg Welche Rolle Tesla bei der Landtagswahl spielt
Die Tesla-Fabrik in Grünheide hat Brandenburg ein erhebliches Wirtschaftswachstum beschert. Ein Erfolg, sagt die regierende SPD. Andere verweisen auf eine lange Liste von Problemen.
Wenn es vor der Landtagswahl in Brandenburg um die Bilanz der regierenden SPD geht, dann fällt zumeist der Name Tesla. Die Ansiedlung des E-Autobauers wurde kurz nach der Wahl vor fünf Jahren öffentlich - und Brandenburg damit in der Welt bekannt. Keine zweieinhalb Jahre später begann die Produktion.
Heute sind in dem Werk in Grünheide rund 12.000 Menschen beschäftigt. Die Gemeinde erhielt allein 2022 sechs Millionen Euro Gewerbesteuer. Während die Wirtschaft insgesamt in Deutschland schrumpfte, wuchs sie in Brandenburg. Ein persönlicher Erfolg von Ministerpräsident Dietmar Woidke und Wirtschaftsminister Jörg Steinbach. Doch es gab und gibt Kritik an ihrem Vorgehen - und dem des Unternehmens.
Linke: Landesregierung duckt sich weg
Tesla sei zu einem Symbol geworden für viele Hoffnungen, sagt etwa Sebastian Walter, Fraktionschef und Spitzenkandidat der Linkspartei. Aber die Landesregierung habe Tesla wohl aus Dankbarkeit zu viel durchgehen lassen. Dabei, so Walter, sei doch die Frage, wie viel Macht ein Investor in Brandenburg hat, nicht weniger als "eine Frage der Demokratie".
Sowohl das Unternehmen als auch die Landesregierung hätten sich bei der Aufklärung diverser Vorwürfe weggeduckt. Walter spricht von möglichen Umweltverstößen und dem Unterlaufen des Arbeitsschutzes. Der lokale Wasserverband und die kommunalen Behörden streiten zudem darüber, ob sich die Trinkwasserqualität durch mögliche Giftstoffe aus der Fabrik verschlechtert hat.
Tesla hat zudem mehrfach gegen Bau- und Umweltrecht verstoßen. In der Fabrik traten gehäuft Arbeitsunfälle auf, wie Medienrecherchen aufdeckten. Die zuständige Verwaltung kündigte daraufhin an, die Kontrollen beim Bau zu erhöhen. Der Tesla-Werksleiter erklärte, präventive Gesundheitsmaßnahmen ausbauen zu wollen.
Walter fordert schon seit Längerem einen Untersuchungsausschuss im Landtag. Er moniert zudem, dass Teslas Einstiegsgehalt von 40.000 Euro unter dem deutscher Autobauer liegt und das Werk bis heute keinen Tarifvertrag hat. "Die Landesregierung hat nichts aus den 1990ern gelernt", sagt Walter. Damals galt Ostdeutschland aufgrund niedriger Löhne als "verlängerte Werkbank" des Westens.
Noch im April hatte Walter, dessen Partei in Brandenburg mit der Fünf-Prozent-Hürde kämpft, medienwirksam einen Einstieg des Landes bei Tesla gefordert. Davon ist er angesichts des Firmenwerts von mehreren Hundert Milliarden Euro mittlerweile wieder abgerückt.
Breite Kritik im Wahlkampf
Allerdings ist Walter längst nicht der einzige Kritiker der Fabrik. Bei einer Wahlarena des rbb am vergangenen Mittwoch stand neben der SPD nur noch die CDU uneingeschränkt zur Ansiedlung.
"Wir dürfen nicht in einen Rausch verfallen, wie es offenbar geschehen ist", hieß es hingegen von Seiten der Grünen, immerhin noch Koalitionspartner. Die Wagenknecht-Partei BSW hält Tesla für unzuverlässig und für die AfD steht die Fabrik am falschen Platz.
Als Péter Vida, Spitzenkandidat der Vereinigung BVB/Freie Wähler der Landesregierung vorwarf, Grünheide mit Umwelt- und Verkehrsproblemen "allein gelassen" zu haben, platzte Dietmar Woidke der Kragen. "Totaler Schwachsinn" sei das, so der SPD-Ministerpräsident.
Wirtschaft hofft weiter auf Impulse
Woidkes Landesregierung hat sich massiv für das Gelingen der Ansiedlung eingesetzt - und dabei gleichzeitig mehrfach bestritten, dass Tesla eine "Sonderbehandlung" bekäme. Aus der Wirtschaft kommen aber vermehrt Rufe, die berühmte "Tesla-Geschwindigkeit" auch selbst erleben zu können. Dass das nötig wäre, zeigt ein Blick in die Region.
Die Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg spricht bei Tesla zwar von einem "wirtschaftlichen Erfolg". Insgesamt sind die Aussichten aber dürftig: Die Zeichen stünden auf Stagnation, wertet die IHK ihre aktuelle Konjunkturerhebung aus.
So kämpfen jeweils drei von fünf befragten Unternehmen mit Fachkräftemangel, den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sowie hohen Energie- und Rohstoffpreisen. Angeschlagen sind vor allem der Handel, das Bau- und das Gastgewerbe.
Tesla hat Probleme
Auch die Lage bei Tesla ist nur bedingt rosig. Der Markt für E-Autos schwächelt. Eine geplante Verdreifachung der Kapazitäten in Grünheide ist vorerst ausgesetzt. Tesla muss sparen und hat vor Ort, den Abbau von 400 Stellen angekündigt.
Woidke will dennoch keine Unruhe aufkommen lassen. "Das sind für mich ganz normale Entwicklungen in wirtschaftlichen Zyklen", sagte er dem Manager Magazin. Er sprach von einer "Erfolgsgeschichte" und verteidigte bislang getroffene Entscheidungen.
Zu Letzteren gehört eine im Frühjahr beschlossene Erweiterung des Werkes, obwohl sich eine Mehrheit der Einwohner von Grünheide zuvor dagegen ausgesprochen hatte. Die Pläne wurden anschließend jedoch verkleinert.
In den nächsten Jahren soll an der Fabrik ein eigener Güterbahnhof entstehen und der nächstgelegene Bahnhof für den Personenverkehr an das Gelände verlegt werden. Die Finanzierung für Letzteren übernimmt, anders als ursprünglich geplant, das Land.
Regierung distanziert sich von Musks Positionen
Tesla-Chef Elon Musk war zuletzt im März zu Besuch in Grünheide und traf anschließend auch Woidke. Zuvor hatte es einen Brandanschlag auf die Stromversorgung des Werkes gegeben. Die Produktion musste für eine Woche ausgesetzt werden. Milliardär und Ministerpräsident posierten bei dem Termin Arm in Arm für ein Foto.
Das Verhältnis zu Musk ist für die SPD allerdings durchaus schwierig: Musks politische Haltung widerspricht den Werten, mit denen sich die SPD in diesem Wahlkampf präsentiert.
Der Milliardär unterstützt den wegen Wahlbeeinflussung angeklagten US-Präsidentschatskandidaten Donald Trump. Musk gehört zudem neben Tesla auch die Social-Media-Plattform X. Dort verbreitete er laut Desinformationsexperten wiederholt Falschbehauptungen. Zuletzt zeigte er Sympathien für extrem rechte Bewegungen, darunter auch die AfD - jene Partei, wegen deren Stärke Dietmar Woidke die Landtagswahl in Brandenburg zu einer "Schicksalswahl" erklärt hat.
Als es Anfang August dieses Jahres zu schweren, teils rassistischen Ausschreitungen in Großbritannien kam, twitterte Musk, ein "Bürgerkrieg" sei "unvermeidbar". Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach distanzierte sich kurz darauf von dieser Aussage. "Ich halte seine Äußerungen nicht nur für falsch, sondern sie untergraben aktiv das Gefüge unserer deutschen und europäischen Gesellschaft", sagte er dem Handelsblatt.
Woidke sagte, die Regierung teile Musks Positionen nicht. Aus Regierungskreisen heißt es zudem, diese Standpunkte seien nicht nur in Medien, sondern auch im direkten Kontakt mit Musk vertreten worden. Musk wiederum hat sich auf X bislang nicht zur Landtagswahl geäußert.