Einigung zum Heizungsgesetz Zu Ende geruckelt?
Kaum ein Vorhaben der Ampelkoalition hat die Menschen so sehr beschäftigt wie das Heizungsgesetz. Kein Wunder, dass darum auch politisch heftig gerungen wurde. Die vorläufige Einigung lässt Fragen offen.
Am Ende musste der Kanzler ran. Zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner griff Olaf Scholz persönlich in die Gespräche der Fraktionsspitzen und Fachpolitiker von SPD, Grünen und FDP ein. Die hatten sich bis Dienstagmittag nicht darauf verständigen können, das Heizungsgesetz noch in dieser Woche im Bundestag aufzurufen. Dass Scholz die Wogen glätten musste, zeigt, wie sehr das Heizungsgesetz zu einer Belastungsprobe für die Ampel geworden ist.
Immer wieder wurde der Streit öffentlich geführt. So hatte der grüne Wirtschaftsminister Habeck die Liberalen bereits vor drei Wochen des "Wortbruchs" beschuldigt. Und noch am Dienstagvormittag drohte Habeck indirekt damit, andere Vorhaben der Koalition zu stoppen. Dabei dürfte er die geplante Reform des Klimaschutzgesetzes gemeint haben, die er nun kurzfristig vorgestellt hat. Hier hatte sich die Koalition auf ein Aufweichen der Sektorziele verständigt - ein Entgegenkommen gerade für FDP-Verkehrsminister Volker Wissing, schließlich werden die Klimaziele im Verkehrssektor bislang verfehlt. Bei einem Scheitern des Heizungsgesetzes sehe man sich daran nicht mehr gebunden, hatte es hinter vorgehaltener Hand von grüner Seite geheißen.
Der Einsatz der FDP hat sich gelohnt
Die FDP ließ sich davon zunächst nicht beeindrucken. Für sie kamen in der Debatte um das Heizungsgesetz inhaltliche und machtpolitische Fragen zusammen. Die Partei, die bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr herbe Niederlagen einstecken musste, spürte: Hier konnte sie Profil gewinnen, um nicht weiter an Bedeutung zu verlieren. Zumal liberale Grundsätze auf dem Spiel standen - schließlich setzt die FDP in der Klimapolitik mehr auf Anreize als auf staatliche Vorgaben.
Nimmt man die Leitplanken, auf die sich die Ampel-Fraktionen am späten Dienstagnachmittag geeinigt haben, zum Maßstab, zeigt sich: Der von vielen als Blockade wahrgenommene Einsatz der FDP hat sich für die Partei gelohnt. Die Leitplanken entsprechen in weiten Teilen den Forderungen der Liberalen: Das Heizungsgesetz wird für die meisten Hausbesitzer erst dann relevant, wenn Kommunen Konzepte für die örtliche Wärmeplanung vorlegen. Auch künftig werden Gasheizungen unter bestimmten Bedingungen möglich sein. Und Eingriffe in bestehende Heizungen wird es - über das bereits von der Großen Koalition eingeführte Gebäudeenergiegesetz hinaus - nicht geben.
In Details hätten sich die liberalen Verhandler wohl noch mehr Klarheit gewünscht. Aber mit einer weiteren Verschiebung hätte die FDP nicht nur die Grünen, sondern auch Bundeskanzler Scholz desavouiert.
Ringen um die Deutungshoheit
Die Grünen dagegen mussten in den Verhandlungen deutlich Federn lassen. Dabei geht es auch für sie um ihren Markenkern: Ohne eine Wende im Gebäudesektor lässt sich das Ziel eines klimaneutralen Deutschlands bis zum Jahr 2045 nicht erreichen. Mit der starken Betonung der strombasierten Wärmepumpen als Alternative zum Heizen mit Öl und Gas stießen die Grünen und das von ihnen geführte Wirtschaftsministerium aber immer stärker auf Widerstand.
Jetzt können die Grünen eigentlich nur formale Punkte herausstreichen, um politisch nicht nur als Verlierer dazustehen: Das Heizungsgesetz kommt noch vor der Sommerpause. Und es bleibt der Grundsatz, dass neue Heizungen - nach einer "Gleitphase", wie Habeck sagt - zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien gespeist werden. Darüber hinaus verweisen Grüne darauf, dass es künftig eine Art Beratungspflicht vor dem Kauf einer Gasheizung geben soll - während aus FDP-Kreisen lediglich von einem Beratungsangebot die Rede ist. Ein Zeichen, dass der Versuch, die Deutungshoheit über die beschlossenen Leitplanken zu gewinnen, voll im Gang ist.
Viele offene Fragen
Die SPD stand, so wirkte es, in der Debatte lange an der Seitenlinie. Die Partei sprach sich - wie die FDP - gegen eine zu große Festlegung auf Wärmepumpen aus, plädierte aber - wie die Grünen - für eine sozial gestaffelte Förderung für den Einbau klimafreundlicher neuer Heizungen. Die Punkte, die SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich bei der Einigung herausstellte, sind (wie einige andere auch) noch sehr vage: Mieter sollen vor zu großen Belastungen bewahrt werden, wenn ihre Vermieter in moderne Heizungssysteme investieren. Und die Förderung soll "möglichst passgenau die einzelnen Bedürfnislagen und soziale Härten bis in die Mitte der Gesellschaft" berücksichtigen. Ein Satz, dessen konkrete Ausgestaltung noch offen ist. Vor allem, woher die nötigen Mittel kommen.
Ein anderes Beispiel für offene Fragen: Was ist, wenn jemand eine Wasserstoff-fähige Gasheizung einbaut, die Kommune aber später kein Wasserstoffnetz anbietet? Das gemeinsame Papier der Ampel-Partner spricht von angemessenen Übergangsfristen, die es dann für eine Nachrüstung der Gasheizung geben soll. Was sofort zur Frage führt: Was ist "angemessen"? Die Frage, wie mit Gasetagenheizungen umgegangen wird, ist in den Leitplanken überhaupt nicht angesprochen.
Wie auf die Schnelle der 177-seitige Gesetzentwurf geändert werden kann, erweist sich somit als große Herausforderung. Was nicht nur bei der Opposition zur Frage führt, ob es wirklich sinnvoll ist, das Heizungsgesetz noch vor der Sommerpause "durchzupeitschen".
Die nächsten Streitthemen stehen auf der Agenda
Der Kanzler aber gibt sich zuversichtlich. "Es hat sich zu Ende geruckelt", sagte Scholz am Dienstagabend vor SPD-Politikerinnen und -Politikern. Sicher? Selbst, wenn das Heizungsgesetz vor der Parlamentarischen Sommerpause harmonisch über die Bühne geht - innerhalb der Ampel ist damit noch lange nicht alles gut. Mit dem Bundeshaushalt 2024 steht das nächste Streitthema auf der Agenda. Gerade die von den Grünen geführten Ministerien wehren sich gegen Sparvorgaben von FDP-Finanzminister Lindner. Und der Asylkompromiss auf EU-Ebene stößt innerhalb der Grünen und beim linken Flügel der SPD auf deutliche Ablehnung.
Zusammengenommen zeigen die jüngsten Beschlüsse: Nachdem die Koalition zunächst eher als rot-grünes Projekt gestartet ist, mit dem vor allem FDP-Anhänger fremdelten, erinnert sie gerade mehr an eine sozial-liberale Koalition, mit der zunehmend die Grünen Probleme bekommen.