Olaf Scholz und Frank-Walter Steinmeier

Ruf nach schneller Neuwahl Union nimmt Steinmeier in die Pflicht

Stand: 11.11.2024 13:12 Uhr

Beim Termin für die Vertrauensfrage des Kanzlers kann es der Union nicht schnell genug gehen. Nun fordert Fraktionsvize Middelberg den Bundespräsidenten zum Handeln auf. Die Grünen wollen mehr Klarheit vom Kanzler.

Auch wenn der Bundeskanzler der Union Entgegenkommen in der Diskussion um den Zeitpunkt für die Vertrauensfrage signalisiert hat - ihr reichen die Aussagen von Olaf Scholz nicht. Nun richtete der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Mathias Middelberg, einen Appell an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und forderte ihn zum Handeln auf.

"Ich fordere auch ausdrücklich in dieser Radiosendung den Bundespräsidenten auf, jetzt den Kanzler auf seine Verfassungspflichten hinzuweisen und zu ermahnen", sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. Der Kanzler müsse ohne eigene Mehrheit im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Auch die Ankündigung von Scholz am Sonntag, die Vertrauensfrage möglicherweise noch im Dezember zu stellen, reicht Middelberg nicht. Er forderte den Kanzler auf, dies bereits am Mittwoch zu tun. Zuvor hatte das bereits CDU-Chef Friedrich Merz von Scholz verlangt.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit lehnte einen solchen raschen Termin für die Vertrauensfrage aber erneut ab. "Ich kann Sie schon beruhigen, dass der Bundeskanzler am Mittwoch nicht die Vertrauensfrage stellen wird", sagte er in Berlin. Wenn es mit der Union nicht zu einer Einigung komme, werde Scholz notfalls im Alleingang über den Termin entscheiden.

Bundestag handlungsfähig

Unionsfraktionsvize Middelberg betonte, dass der Bundestag auch nach der Vertrauensfrage noch handlungsfähig sei und bis zur Neuwahl Gesetze beschließen könne. Bei Gesetzen, die aus seiner Sicht dringend umgesetzt werden müssen, sei die Union auch bereit, zuzustimmen - etwa bei der geplanten Stärkung des Bundesverfassungsgerichts. Anderen Gesetzen wie etwa dem Rentenpaket will die Union laut Middelberg hingegen nicht zustimmen. Das sei dann eine Aufgabe für die neue Regierung.

Bundespräsident Steinmeier spielt in dieser Regierungskrise laut Verfassung eine wichtige Rolle. Vergangene Woche hatte er Kontakt sowohl mit Kanzler Scholz als auch mit Oppositionsführer Merz, mit dem er in engem Kontakt bleiben wolle. Heute spricht er mit Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck. Ziel der Gespräche sei es für den Bundespräsidenten, die politische Stabilität in Deutschland zu wahren und Kompromissmöglichkeiten auszuloten. Dabei geht es um ein geordnetes Verfahren zu Neuwahlen.

Frei: "Keine weiteren Absprachen nötig"

Scholz, der ursprünglich die Vertrauensfrage erst Mitte Januar stellen wollte, hatte in der ARD-Sendung "Caren Miosga" nicht ausgeschlossen, den Schritt noch im Dezember zu gehen. "Dass ich noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage stelle, wenn das alle gemeinsam so sehen, ist für mich überhaupt kein Problem", sagte er. Seine Entscheidung machte er von einer Einigung darüber unter den Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU/CSU, Rolf Mützenich und Merz, abhängig.

Dies hält die Unionsfraktion aber für überflüssig. "Scholz sollte jetzt keine weiteren Nebelkerzen werfen, sondern zügig die Vertrauensfrage stellen", sagte Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei der Bild. Es seien keine weiteren Absprachen nötig, so Frei weiter. "Bei diesem Verfahren liegt es allein am Kanzler, das Drama zu beenden und die Tür zum Neuanfang zu öffnen." Gegenüber der Rheinischen Post bekräftigte Frei die Forderung der Union, Scholz solle die Vertrauensfrage am Mittwoch im Bundestag stellen.

"Das geht so nicht, dass man das jetzt wochen- oder monatelang aussetzt", sagte auch der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Rainer Haseloff, im Morgenmagazin von ARD und ZDF.

Der CDU-Politiker betonte, Scholz habe sich mit einer eigenen Entscheidung um seine Mehrheit gebracht. Deshalb stehe der Kanzler nun in der Verantwortung, "daraus jetzt für Deutschland keinen weiteren Schaden entstehen zu lassen", sagte Haseloff.

Grüne offen für einen früheren Wahltermin

Offen für einen früheren Termin für die Vertrauensfrage zeigten sich die Grünen. "Wir können uns auch vorstellen, einen früheren Termin zu haben", sagte Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann im ZDF, machte aber zugleich Einschränkungen. Der Termin müsse so gewählt werden, "dass man sich dann auch als Parteien auf die Wahlen vorbereiten kann", betonte sie. Wichtig sei, dass "ein bisschen Ruhe und Seriosität in die Debatte" kommt.

Zugleich kritisierte die Grünen-Politikerin aber auch die widersprüchlichen Aussagen des Kanzlers: "Die Bürgerinnen und Bürger wollen nicht heute hören 'Ich bin der Einzige, der das entscheidet' und morgen ist die Ansage 'Ach, sollen doch die Fraktionsvorsitzenden mal darüber diskutieren, wann ein Termin ansteht'", sagte Haßelmann. Man brauche da mehr Klarheit.

FDP warnt vor einer "Hängepartie"

Das fordert auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. "Jetzt muss diese eine entscheidende Frage geklärt werden, und diese Frage muss vom Bundeskanzler beantwortet werden", sagte er nach Beratungen des FDP-Präsidiums. Man werde sich "jetzt nicht auf inhaltliche Diskussionen einlassen". Deutschland brauche schnellstmöglich Neuwahlen. "Eine Hängepartie kann sich in der jetzigen Situation niemand leisten."

Laut Djir-Sarai kann die FDP vom Bruch der Ampelkoalition bislang profitieren - zumindest was die Mitgliederzahlen angeht. So habe es bislang ungefähr 1.300 Parteieintritte gegeben. "Das ist eine Entwicklung, was Vergleichbares habe ich bis jetzt noch nicht gesehen", sagte der Generalsekretär. Es gebe zwar auch Austritte, aber die seien kaum relevant.

Wahlleiter beraten über Vorbereitungen für die Wahl

Angesichts der festgelegten Zeitspanne von höchsten 60 Tagen, die das Gesetz für die Durchführungen von Neuwahlen nach einer verlorenen Vertrauensabstimmung im Bundestag zulässt, hatte Bundeswahlleiterin Ruth Brand vor logistischen Herausforderungen gewarnt - etwa mit Blick auf die Berufung von Wahlausschüssen oder die Koordination von Wahlhelfern.

Am heutigen Montag berät Brand mit ihren Länderkolleginnen und Kollegen über die Vorbereitungen für die Wahlen. Dabei handelt es sich nach Angaben der Behörde um eine "reguläre Vorbesprechung zur Wahlvorbereitung, wie sie auch bei jeder regulären Bundestagswahl vorgesehen ist".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 11. November 2024 um 09:00 Uhr.