Fortschritte beim Klimaschutz "Wenn wir das wirklich wollen, können wir das auch"
Trotz Klimakrise gibt es Entwicklungen, die Mut machen, sagt Klimapolitik-Fachmann Niklas Höhne. Noch reichten die Erfolge bei Weitem nicht aus. Doch wenn die Transformation gelinge, "dann ist die Welt hinterher eine bessere".
tagesschau.de: Herr Höhne, 2023 war weltweit das wärmste Jahr seit Messbeginn. Auch das laufende Jahr ist wieder auf dem Kurs, das wärmste je gemessene zu werden. Trotzdem sagen Sie, es gibt Hoffnung. Was sind für Sie die drei größten Fortschritte beim Klimaschutz seit dem Pariser Klima-Abkommen?
Niklas Höhne: Ganz oben auf der Liste sind die erneuerbaren Energien. Sie überraschen uns jedes Jahr wieder, weil sie noch günstiger geworden sind als geplant und schneller ausgebaut werden. Der zweite Punkt wäre für mich die Elektrifizierung des Energieverbrauchs, insbesondere bei Elektroautos. Das geht weltweit sehr schnell voran, in Deutschland vielleicht nicht so, aber weltweit schon.
Und der dritte Punkt ist die zivile Bewegung und dass Klimaschutz mehr und mehr vor Gerichten eingeklagt wird. Es sind verschiedene Institutionen dabei, Unternehmen oder auch ganze Staaten zu verklagen, sich an das schon geltende Recht zu halten. Solche Klagen gab es bereits in der Vergangenheit, aber jetzt werden sie eine nach der anderen gewonnen. Das hat signifikante Auswirkungen, auch darauf, wie Regierungen Klimaschutz politisch ausgestalten. Das sind für mich die drei größten Fortschritte.
Niklas Höhne ist Fachmann für nationale und internationale Klimapolitik. Er ist einer der Gründer des NewClimate Institute und Professor an der Universität Wageningen in den Niederlanden. Seit 30 Jahren nimmt er an den internationalen Klimaverhandlungen teil.
Erneuerbare Energien als Job-Motor
tagesschau.de: Lassen Sie uns das vertiefen. Die erneuerbaren Energien boomen. Bedeutet das auch, dass die Zahl der grünen Jobs wächst?
Höhne: Einmal werden die erneuerbaren Energien extrem viel günstiger. In den letzten zehn Jahren ist der Preis um siebzig Prozent gefallen. Das ist konkurrenzlos günstig. Selbst die Batterien sind sehr viel günstiger geworden. Sie garantieren, dass man auch Strom hat, wenn die Sonne gerade nicht scheint, weil man den Strom in den Batterien speichern kann. Bei der Solarenergie sehen wir jedes Jahr Zuwächse von plus 30 Prozent, bei Batterien liegen die jährlichen Zuwächse sogar bei plus 50 Prozent. Das geht richtig schnell voran und ist sehr, sehr gut.
Dazu wächst auch die Zahl der Arbeitsplätze. Es ist jetzt schon so, dass in Deutschland deutlich mehr Menschen in den erneuerbaren Energien beschäftigt sind als im Kohlesektor. Das sind gute und hochqualitative Jobs. Wenn man das langfristig gut plant, also diejenigen, die jetzt in fossilen Energien beschäftigt sind, umschult, dann kann das sicherlich ein großes Erfolgsmodell sein.
"Verdrängung des Verbrenners nicht mehr aufzuhalten"
tagesschau.de: Als wichtigen Fortschritt nennen Sie auch die Elektrifizierung des Energieverbrauchs. In Deutschland ist der Absatz von E-Autos im Sommer eingebrochen, zumindest vorübergehend, dazu der Streit um Zusatzzölle auf E-Autos aus China - trotzdem sehen Sie E-Autos auf der Überholspur?
Höhne: Ja. Wir müssen raus aus Kohle, Öl und Gas. Das ist mit dem Verbrennungsmotor nicht wirklich möglich. Deswegen muss es eine Alternative geben. Das ist ganz klar die Elektromobilität. Die boomt, gerade weil so ein Elektroauto grundsätzlich erst mal einfacher zu bauen ist. Das wichtigste Bauteil ist da die Batterie, und die Batterien werden extrem schnell sehr viel günstiger.
Der globale Absatz von Elektroautos verdoppelt sich jedes Jahr. Das geht extrem schnell voran. Und diese Verdrängung des klassischen Verbrennungsmotors durch die Elektromobilität ist quasi nicht mehr aufzuhalten. Die große Frage für die etablierte Autoindustrie ist jetzt, ob sie mit diesem Trend und mit dieser Geschwindigkeit auch mithalten kann. Denn es gibt neue Player im Markt. Das hat angefangen mit Tesla, aber jetzt auch mit sehr vielen chinesischen Produzenten, die mit sehr viel günstigeren und auch technologisch weit entwickelten Autos auf den Markt drängen. Da haben wir das Problem, dass viele deutsche Autobauer da nicht mithalten können.
Null Emissionen als anerkanntes Ziel
tagesschau.de: Gibt es einen Klimafortschritt, den Sie so gar nicht erwartet hätten?
Höhne: Was mich überrascht: Das Pariser Klimaschutzabkommen setzt diesen Punkt, dass man auf null Emissionen kommen muss. Vorher gab es immer Sektoren, die gesagt haben: "Wir können das gar nicht." Das waren nämlich die Stahlbranche und auch der Flugsektor und die Schiffe. Da hieß es immer: "Bei uns ist es so schwierig, es müssen erst mal andere ihre Emissionen reduzieren." Das hat sich jetzt komplett geändert.
Wir reden über CO2-freien Stahl. Wir haben jetzt schon CO2-freie Schiffe, relativ große Containerschiffe, die ausschließlich mit Strom laufen. Und wir sprechen über das CO2-freie Fliegen. Das dauert noch lange, aber immerhin wird darüber gesprochen. Das ist eine komplett neue Wendung, und das hat mich überrascht. In Bereichen, wo wir dachten, es geht gar nicht, sprechen wir inzwischen über den Weg zu null Emissionen, wir haben Pilotprojekte und auch schon funktionierende Technologien, die es uns erlauben, komplett wegzukommen von Kohle, Öl und Gas.
"Erfolge reichen bei Weitem nicht aus"
tagesschau.de: Es gibt also durchaus Fortschritte. Trotzdem steuern wir aktuell auf ungefähr 2,7 Grad Klimaerhitzung bis zum Ende des Jahrhunderts zu. Das zeigt doch, dass die Fortschritte, über die wir gesprochen haben, nur der Anfang sein können?
Höhne: Die Erfolge sind sehr gut, aber sie reichen bei Weitem noch nicht aus. Wir müssen Treibhausgasemissionen auf Null reduzieren, und das so schnell wie möglich, und derzeit stagnieren die Treibhausgasemissionen. Sie gehen Projektionen bis 2030 zufolge also weder rauf noch runter. Das reicht bei Weitem nicht aus. Und je länger wir warten, umso mehr Schäden werden wir sehen, also extreme Hitze, Dürre, Stürme, Überschwemmungen und auch - langfristig - Migrationsbewegungen.
Mit so einer Situation können wir als Gesellschaft nicht umgehen. Und deshalb müssen wir Treibhausgasemissionen reduzieren. Dazu müssen die Länder in den Notfallmodus schalten, Dinge wirklich anders machen und so schnell wie möglich reduzieren. Wir haben die Möglichkeiten, wir haben die Technologien, und wenn wir das wirklich wollen, dann können wir das auch.
Durchwachsene Bilanz für Deutschland
tagesschau.de: Wenn wir speziell auf Deutschland gucken - welche Erfolge sehen Sie da?
Höhne: Die Ampel-Regierung war sich nicht wirklich einig, wie man am besten vorgeht. Da konnte man große Unterschiede zwischen den Ministerien sehen. Ein sehr guter Fortschritt ist bei den erneuerbaren Energien gemacht worden. Die boomen auch in Deutschland. Das ist anders als bei den Vorgängerregierungen, wo es ein bisschen gehakt hat.
Bei den Gebäuden: Das Heizungsgesetz und die Unsicherheit drum herum haben dazu geführt, dass auf den letzten Drücker noch neue Gasheizungen gekauft worden sind. Das ist aus meiner Sicht fatal, denn Gas wird mit Sicherheit sehr viel teurer werden in der Zukunft. Das liegt an den Maßnahmen, die die EU beschlossen hat. Das heißt, jede neue Gasheizung, die jetzt eingebaut worden ist, ist mit Sicherheit eine Fehlinvestition und muss vor Ende der Lebenszeit sowieso ausgebaut werden. Was jetzt vorankommen muss und auch langsam vorankommt, ist, dass man Gebäude dämmt und eine CO2-freie Heizung einbaut, also entweder Fernwärme oder eben die Wärmepumpe.
Und im Transportbereich passiert eigentlich gar nichts. Das ist sehr unglücklich, da geht es eher zurück. Da werden falsche Technologien, also Autobahnen oder die E-Fuels, gepusht. Das bringt uns beim Klimaschutz aber nicht wirklich voran. Also da sieht man Unterschiede, und aus meiner Sicht kann man die ganz klar unterschiedlichen Parteien zuordnen.
"Trump kann den Erfolg der Erneuerbaren nicht stoppen"
tagesschau.de: Schauen wir über den Atlantik. Was bedeutet der Wahlsieg von Donald Trump in den USA für den internationalen Klimaschutz?
Höhne: Der Wahlsieg von Donald Trump ist natürlich überhaupt keine gute Nachricht für den internationalen Klimaschutz. Er ist ein Klimaleugner. Er möchte die fossilen Energien vorantreiben. Das ist das Gegenteil von dem, was wir jetzt eigentlich machen müssen. Ob es wirklich so schlimm kommt wie befürchtet, das muss sich noch zeigen. Denn auch Donald Trump kann den Erfolg der erneuerbaren Energien nicht stoppen. Auch er kann sich nicht gegen den Markt sträuben.
Er wird einige der nationalen politischen Maßnahmen zurückdrehen, aber nicht alle. Zum Beispiel das Klimaschutzgesetz der USA, den Inflation Reduction Act, wird er wahrscheinlich nicht zurückdrehen, denn der schaufelt derzeit sehr viel Geld insbesondere in republikanische Staaten. Auch das Pariser Klimaschutzabkommen wird weiterlaufen, auch wenn Trump schon angekündigt hat, aus diesem Abkommen auszusteigen. Es ist stabil, die anderen Länder können weiter das tun, was sie vorgeschlagen haben und wozu sie sich verpflichtet haben.
Natürlich ist der Druck etwas niedriger auf die anderen Staaten, jetzt etwas zu tun. Sie können sich ein bisschen darauf ausruhen, dass der zweitgrößte Emittent nichts tut. Aber trotzdem: Klimapolitik ist wichtig. Der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas wird kommen. Und wer früher dabei ist, hat deutlich einen Vorteil.
"Eine bessere Welt als vorher"
tagesschau.de: Was macht Ihnen trotz allem am meisten Hoffnung?
Höhne: Wenn wir diese Klima-Transformation richtig hinbekommen, dann ist die Welt hinterher eine bessere als vorher. Wenn wir sehr viel erneuerbare Energien haben, dann ist es günstig. Dann müssen wir die Energie nicht mehr importieren von Despoten, mit denen wir eigentlich gar keine Geschäftsbeziehung haben wollen. Dann ist die Luft besser. Wenn der öffentliche Nahverkehr funktioniert und günstig ist und immer da ist, wenn man ihn haben will, und man von A nach B gefahren wird, dann ist das eine super Sache. Wenn die Städte grüner sind, mehr Platz für Fußgänger und Fahrradfahrer ist und weniger Autos unterwegs sind, dann sind die Städte lebenswerter.
Wenn wir das richtig hinbekommen, dann ist die Welt hinterher eine bessere. Ich glaube, das ist die Herangehensweise, die wir finden müssen: Klimapolitik ist etwas, was uns voranbringt und nichts, was Verzicht bedeutet.
Das Gespräch führte Stefanie Peyk, SWR. Stand 7.11.2024