Reise nach Syrien Baerbock besucht Assads Foltergefängnis Saidnaja
Im Saidnaja-Gefängnis ließ der syrische Machthaber Assad foltern und hinrichten. Heute besichtigte Außenministerin Baerbock den Ort des Schreckens. Sie forderte internationale Bemühungen, um die Täter zu verfolgen.
Außenministerin Annalena Baerbock hat rund vier Wochen nach dem Umsturz in Syrien das berüchtigte Foltergefängnis Saidnaja in der Nähe der Hauptstadt Damaskus besichtigt. Gemeinsam mit ihrem französischen Amtskollegen Jean-Noël Barrot ließ sich die Grünen-Politikerin von Vertretern der syrischen Zivilschutzorganisation Weißhelme informieren.
Saidnaja ist das wohl berüchtigtste Militärgefängnis aus der Zeit des Langzeitmachthabers Baschar al-Assad. Seit 2011 haben Menschenrechtler dort systematische Massenhinrichtungen, Folter und das Verschwinden von Tausenden Gefangenen dokumentiert.
Internationale Bemühungen um Strafverfolgung
Baerbock forderte internationale Anstrengungen, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Um für Gerechtigkeit und Aufklärung zu sorgen, hätten Deutschland und Europa in den vergangenen Jahren Akteure wie die Weißhelme, aber auch die UN dabei unterstützt, Beweise zu sammeln, sagte Baerbock. "Genau das wollen wir fortführen", kündigte sie an.
In dem Gefängnis seien Menschen umgebracht worden "mit Methoden, die man sich in einer zivilisierten Welt nicht vorstellen kann", so Baerbock.
Gespräche mit Übergangsregierung
Baerbock war am Vormittag zu einem nicht angekündigten Besuch in Syrien eingetroffen. Gemeinsam mit Barrot und im Namen der EU will sie Gespräche mit Vertretern der Übergangsregierung führen.
Die beiden Politiker wollen unter anderem den Anführer der islamistischen Miliz Hajat Tahrir al-Schams (HTS), Ahmed al-Scharaa, treffen. Barrot besuchte auch die seit 13 Jahren geschlossene französische Botschaft in Damaskus.
Erster Besuch von Spitzenvertretern der EU
Baerbock und Barrot sind die ersten Außenminister aus einem EU-Staat, die Syrien seit Assads Sturz besuchen. Vor ihrer Abreise hatte Baerbock den neuen De-facto-Herrschern in Syrien Bedingungen für eine Neuaufnahme der Beziehungen zu Deutschland und der Europäischen Union gestellt.
"Den Neuanfang kann es nur geben, wenn die neue syrische Gesellschaft allen Syrerinnen und Syrern, Frauen wie Männern, gleich welcher ethnischen oder religiösen Gruppe, einen Platz im politischen Prozess einräumt, Rechte gewährt und Schutz bietet", so Baerbock. Diese Rechte müssten gewahrt werden und dürften "nicht möglicherweise durch zu lange Fristen bis zu Wahlen oder auch Schritte zur Islamisierung des Justiz- oder Bildungssystems unterlaufen werden".
"Wissen, wo HTS herkommt"
Baerbock blieb gegenüber al-Scharaa allerdings skeptisch. "Wir wissen, wo die HTS ideologisch herkommt, was sie in der Vergangenheit getan hat", sagte Baerbock. Man sehe aber auch den Wunsch nach Mäßigung und Verständigung mit anderen wichtigen Akteuren.
Die HTS-Miliz ging aus der Al-Nusra-Front hervor, einem Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. Al-Scharaa hatte sich von Al-Kaida und der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) losgesagt. Bis heute gibt es aber Berichte, denen zufolge die HTS-Führung den Kontakt zu Al-Kaida hält. Die HTS hatte am 8. Dezember die Herrschaft Assads beendet. Im Zuge dessen waren auch die Gefangenen im Saidnaja-Gefängnis befreit worden.
Mit Informationen von Moritz Behrendt, ARD-Kairo