Kernkraftwerk Saporischschja IAEA-Chef Grossi warnt vor Katastrophe
Immer wieder steht die größte Atomanlage Europas unter Beschuss. Nun hat IAEA-Chef Grossi das ukrainische AKW Saporischschja besucht. Er warnt vor einer Katastrophe, sollten sich Moskau und Kiew nicht auf ein Sicherheitskonzept einigen.
Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, hat bei einem Besuch des Atomkraftwerks Saporischschja vor einer "Katastrophe" in der russisch besetzten Anlage im Süden der Ukraine gewarnt.
"Offensichtlich verbessert sich die Situation nicht", so Grossi. "Im Gegenteil, die militärischen Aktivitäten um das Gebiet nehmen zu", sagte er nach Angaben russischer Medien nach dem Besuch. Er hatte Europas größtes Kernkraftwerk zuvor bereits im September besucht.
IAEA-Chef bemüht sich um Abkommen
Er wolle sich um einen Kompromiss zwischen Moskau und Kiew zur Sicherung der Anlage bemühen. "Ich versuche, realistische Maßnahmen vorzubereiten und vorzuschlagen, die von allen Seiten gebilligt werden", sagte Grossi. Es gehe dabei sowohl um das Atomkraftwerk selbst als auch das umliegende Gebiet.
"Es muss eine Katastrophe verhindert werden", fügte der IAEA-Chef hinzu. Dazu sollten beide Seiten sich auf "bestimmte Prinzipien, bestimmte Verpflichtungen verständigen - unter anderem, das Kraftwerk nicht anzugreifen". Mit beiden Seiten werde nun über Sicherheitsvorkehrungen gesprochen, um einen atomaren Zwischenfall mit radioaktiven Auswirkungen zu verhindern."Ich bin Optimist in der Hinsicht, dass ich glaube, dass das möglich ist", betonte Grossi.
Neue Ablöse für IAEA-Spezialisten
Das Staatsfernsehen in Russland zeigte, wie die IAEA-Experten mit schusssicheren Westen der Vereinten Nationen die Frontlinie zwischen dem von Kiew und dem von Moskau kontrollierten Teil des Gebiets Saporischschja überquerten. Sie legten demnach einen Teil des Weges zu Fuß an einer zerstörten Brücke zurück.
Hauptziel der Gespräche mit den Führungen in Kiew und Moskau sei die atomare Sicherheit, sagte der IAEA-Chef. Es müsse alles getan werden für den Schutz der Menschen. Die 18-köpfige Delegation hatte sich einen Überblick über die Sicherheitslage des immer wieder auch beschossenen Kraftwerks verschafft. Nur einige IAEA-Spezialisten blieben. Sie sind als Wechselkontingent für die derzeit dort stationierten Atomexperten eingeplant.
Selenskyj: Keine Sicherheit unter russischer Kontrolle
Vor seiner Visite in Saporischschja hatte Grossi am Montag den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen. Dieser betonte dabei, es sei unmöglich, die atomare Sicherheit des AKW zu gewährleisten, solange es von Russland kontrolliert werde.
Renat Karchaa, der den aktuellen russischen Betreiber des AKW, Rosenergoatom, berät, sagte nach Angaben von staatlichen russischen Nachrichtenagenturen, Grossis Besuch sei "ein gewöhnlicher Geschäftstermin", der "nichts dramatisches ändern" werde. Es könne aber "natürlich alles passieren".
AKW gerät immer wieder unter Beschuss
Russland hatte das Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine kurz nach Beginn seines Angriffskrieges eingenommen und hält es seitdem besetzt. Die Anlage ist mit seinen sechs Blöcken und einer Nettoleistung von 5700 Megawatt das größte AKW in Europa. Moskau und Kiew beschuldigen sich immer wieder gegenseitig, für Angriffe um und auf das Atomkraftwerk verantwortlich zu sein.
Durch Beschuss in der Region wurde das Kraftwerk bereits mehrmals vom ukrainischen Stromnetz abgetrennt, obwohl es für einen sicheren Betrieb eine konstante Energiezufuhr braucht. Um diese zu gewährleisten, mussten zwischenzeitlich Notgeneratoren einspringen.