Herbert Reul (CDU, l-r), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Tim Kurzbach (SPD), Bürgermeister von Solingen, und Mona Neubaur (Grüne), stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, stehen mit gefalteten Händen vor Blumen, die in Gedenken an die Opfer niedergelegt wurden.
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Debatte nach Anschlag Was aus Solingen folgen soll

Stand: 26.08.2024 12:48 Uhr

Nach dem Messerangriff in Solingen zieht die Debatte über ein schärferes Vorgehen in der Flüchtlingspolitik an. Was kann politisch aus dem Attentat folgen? Ein Überblick über die wichtigsten Forderungen.

Der tödliche Anschlag in Solingen hat eine breite Debatte über einen härteren Kurs in der Asylpolitik und zusätzliche Kompetenzen für Sicherheitskräfte ausgelöst.

Bei einem Stadtfest in Solingen waren am Freitagabend drei Menschen mit einem Messer getötet worden. Acht Personen wurden verletzt, vier davon schwer. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den Tatverdächtigen, einen 26-jährigen Syrer, wegen Mordes und wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Ein Versuch, den Mann nach Bulgarien abzuschieben, weil er dort zuerst in der EU angekommen war, ist im vergangenen Jahr gescheitert.

Hintergrund für die politischen Ankündigungen dürften auch die im September anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sein. Worum geht es in der Debatte?

Was sagt Bundeskanzler Scholz?

Bundeskanzler Olaf Scholz war am Montagvormittag zu Besuch in Solingen und hat am Tatort des Messerangriffs eine weiße Rose niedergelegt. "Das war Terrorismus", so der SPD-Politiker beim anschließenden Pressestatement. "Terrorismus gegen uns alle." Er bedrohe die "Art und Weise, wie wir leben". Das sei die Absicht derjenigen, die solche Anschläge planen und durchführen. "Und das ist etwas, das wir niemals hinnehmen werden."

Er wolle sicherstellen, dass sich solche Taten in Deutschland nicht ereignen. "Alles, was in unserer Macht liegt, was in unseren Möglichkeiten liegt, muss auch getan werden." Dazu gebe es Vieles, das wichtig sei - etwa schärfere waffenrechtliche Regeln. "Das gilt insbesondere, was den Einsatz von Messern betrifft, aber auch viele andere Dinge drumherum, die geregelt werden müssen."

Das solle und werde schnell passieren. "Ich bin sicher, dass, wenn die Bundesregierung jetzt einen Vorschlag dazu macht, das auch schnell und gemeinsam mit dem Gesetzgeber in Bundestag und Bundesrat vorangebracht und beschlossen werden kann."

Der SPD-Politiker sprach auch über Abschiebungen. Mit den gerade erst beschlossenen gesetzlichen Regelungen seien die Möglichkeiten massiv ausgeweitet worden, Rückführungen und Abschiebungen durchzuführen. "Wir sehen eine Steigerung um 30 Prozent in diesem Jahr, wenn man das im Bezug auf das Jahr 2022 betrachtet, sogar um zwei Drittel", so Scholz. Er wolle diese Zahlen noch weiter erhöhen.

Welche Folgen in der Asylpolitik werden diskutiert?

Parteiübergreifend fordern Politiker einen härteren Kurs in der Asylpolitik, im Mittelpunkt steht der Umgang mit Geflüchteten aus Syrien und Afghanistan. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) verlangte am Sonntagabend im heute journal des ZDF eine neue Lageeinschätzung des Auswärtigen Amts, um besser nach Syrien abschieben zu können.

CDU-Chef Friedrich Merz forderte einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan in Deutschland. CDU-Innenexperte Alexander Throm sagte im ARD-Morgenmagazin, die wenigsten Bewerber bekämen Asyl wegen des Schutzes nach dem Grundgesetz. Die meisten, insbesondere aus Afghanistan und Syrien, erhielten subsidiären Schutz, sie seien in ihrer Person nicht verfolgt oder bedroht. In Afghanistan fänden keine Kampfhandlungen mehr statt, in Syrien nur lokal begrenzt. "Deswegen muss der subsidiäre Schutz für Afghanen und für Syrer wegfallen."

"Deswegen muss der subsidiäre Schutz für Afghanen und Syrer wegfallen", A. Throm, Innenpolitischer Spr. CDU/CSU-Fraktion

SPD-Chefin Saskia Esken wies Merz' Forderung nach einem Aufnahmestopp zurück, da ein solcher Schritt "mit unseren Gesetzen auch nicht vereinbar ist, nicht mit der Europäischen Flüchtlingskonvention, nicht mit unserer Verfassung". Auch sie forderte aber: Schwere Straftäter und islamistische Gefährder müssten in diese Länder abgeschoben werden können. 

Ähnlich äußerte sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert im ARD-Morgenmagazin. Kühnert betonte, die Ampel arbeite bereits an Lösungen für die Abschiebung von Intensivstraftätern auch nach Syrien und Afghanistan. Sie komme auch beim Waffenrecht und bei Messerverboten voran. Jetzt müsse es verstärkt um das Problemfeld der Radikalisierung von Einzeltätern gehen. "Das ist der Bereich, wo wir nicht gut vorankommen im Moment", sagte Kühnert. "Hier braucht es jetzt einen großen Wurf von Bund und Ländern gemeinsam."

Kommt jetzt ein neues Waffenrecht?

Innenministerin Nancy Faeser sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wir werden als Staat auf diesen terroristischen Akt mit aller notwendigen Härte antworten und die islamistische Bedrohung konsequent bekämpfen." Es werde intensiv darüber beraten, "welche Instrumente wir zur Bekämpfung von Terror und Gewalt weiter schärfen müssen und welche Befugnisse unsere Sicherheitsbehörden in diesen Zeiten brauchen, um unsere Bevölkerung bestmöglich zu schützen", so die SPD-Politikerin.

Faeser will seit Längerem das Waffenrecht verschärfen. Nach den Plänen des Bundesinnenministeriums sollen Messer in der Öffentlichkeit nur noch bis zu einer Klingenlänge von sechs Zentimetern statt bisher zwölf Zentimetern mitgeführt werden dürfen. Für gefährliche Springmesser soll es ein generelles Umgangsverbot geben. 

Bundesjustizminister Marco Buschmann kündigte nun Verhandlungen über das Waffenrecht für Messer an. "Wir werden nun in der Bundesregierung darüber beraten, wie wir den Kampf gegen diese Art der Messer-Kriminalität weiter voranbringen", sagte der FDP-Politiker der "Bild am Sonntag". Bisher hatte die FDP Vorschläge von Bundesinnenministerin Faeser zu schärferen Regeln und Verboten abgelehnt.

Brauchen Sicherheitsbehörden mehr Personal?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach eine Ausweitung von Befugnissen der Sicherheitsbehörden an. Zu einem besseren Schutz vor Angriffen "gehört auch, dass die Sicherheitsbehörden mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet werden", sagte er im ZDF-Sommerinterview.

Denkbar sei eine Ausweitung der Kompetenzen des Bundeskriminalamts, sagt er. "Es gibt ein Gesetzgebungsvorhaben innerhalb der Bundesregierung, die Zuständigkeiten des BKA bei Terrorismusgefahr zu erweitern. Ich glaube, darüber wird man jetzt beschleunigt beraten müssen", sagt der Bundespräsident. Der Staat sei nicht hilflos. Wenn man eine offene Gesellschaft bleiben wolle, könne man aber keinen völligen Schutz garantieren.

"Politischer Überbietungswettbewerb", Michael Götschenberg, ARD-Terrorismusexperte, zur politischen Debatte nach Anschlag in Solingen

tagesschau, 26.08.2024 16:00 Uhr

Auch Vizekanzler Robert Habeck sprach sich dafür aus, die Sicherheitsbehörden personell besser auszustatten. Diese müssten so ausgestattet sein, dass sie islamistischen Terror bekämpfen können, so der Grünen-Politiker.

Auch der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte in der ARD-Sendung Caren Miosga, die Sicherheitsbehörden effektiver im Kampf gegen den Terrorismus auszustatten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 26. August 2024 um 10:25 Uhr.