Boris Pistorius und Mark Milley beim Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Stützpunkt Ramstein.
Kommentar

Ramstein-Konferenz zur Ukraine Es geht nicht nur um Kampfpanzer

Stand: 20.01.2023 22:18 Uhr

Bei der Konferenz in Ramstein ist nicht über die Lieferung von "Leopard"-Panzern entschieden worden. Dass Deutschland erst jetzt die Bestände prüft, ist peinlich. Die Debatte darf sich aber nicht nur um Panzer drehen.

Ein Kommentar von Oliver Neuroth, ARD-Hauptstadtstudio

Ja, diese Ramstein-Konferenz hatte enttäuschende Momente. Die Bundesregierung kann fast ein Jahr nach Ausbruch des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nicht sagen, wie viele "Leopard"-Panzer Deutschland liefern könnte. Das ist peinlich. Verteidigungsminister Boris Pistorius lässt diese Frage jetzt von den Fachleuten seines Hauses erörtern.

Natürlich hätte das längst unter seiner Vorgängerin Christine Lambrecht passieren müssen. Warum sie es nicht tat, lässt sich nur erahnen. Vielleicht fehlte ihr der Weitblick für das Amt. Oder Kanzler Scholz hat bisher nie ernsthaft darüber nachgedacht, "Leopard"-Panzer in die Ukraine zu schicken.

Das lange Zögern in dieser Frage kann Deutschland innerhalb der NATO isolieren. Kann. Der wichtigste Verbündete Deutschlands hält sich auch zurück mit der Lieferung von Kampfpanzern: Die USA schicken keine "Abrams" in die Ukraine.

Auch ohne "Leoparden" sinnvolle Hilfe für Kiew

Das hat auch etwas damit zu tun, dass diese Panzer kompliziert zu warten sind und viel Treibstoff verbrauchen - keine guten Voraussetzungen für einen Ukraine-Einsatz. Doch wir wissen nicht, ob die Entscheidung der US-Regierung grundlegend anders ausgefallen wäre, wenn ihre wichtigsten Kampfpanzer einfacher im Handling wären.

Die USA haben in Ramstein ihr neues, 2,5 Milliarden Dollar schweres Hilfspaket für die Ukraine vorgestellt, das unter anderem knapp 60 "Bradley"-Schützenpanzer und 90 "Stryker"-Radschützenpanzer umfasst. Das klingt nach einer sinnvollen Unterstützung in der aktuellen Lage.

Deutschland hat ähnliche Pläne und liefert 40 "Marder"-Schützenpanzer, weitere "Geparden" und ein "Patriot"-Flugabwehrsystem. Die aktuelle Debatte sollte sich nicht nur um Kampfpanzer drehen.

Niemand weiß, wie Moskau reagieren würde

Das hat auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Ramstein klargestellt. Selbst wenn so mancher Verteidigungsexperte aus der Ampel-Koalition kein Eskalationspotenzial in einer "Leopard"-Lieferung sieht: Wir wissen schlicht nicht, wie Russland darauf reagieren würde. Die Signale aus dem Kreml sind zu diffus.

Verteidigungsminister Boris Pistorius enttäuscht daher nicht mit seiner Haltung in Ramstein, dass jeder Schritt in dieser Situation genau bedacht werden muss. Das ist kein Zaudern. Deutschland will schlicht nicht in diesen Krieg hineingezogen werden.

Oliver Neuroth, Oliver Neuroth, ARD Berlin, 20.01.2023 23:25 Uhr
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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 20. Januar 2023 um 21:45 Uhr.