Schere zwischen Arm und Reich Wenn Weihnachten zu teuer ist
14 Millionen Menschen gelten hierzulande als arm, für andere spielt Geld keine Rolle. Die Gegensätze werden gerade besonders deutlich: Manche können sich Geschenke kaum leisten, andere stehen vor Luxusläden Schlange.
Wenn Sandra Schlensog über den Weihnachtsmarkt in Karlsruhe schlendert, dann nur zum Schauen. Kaufen kann sie nichts: Sie kann es sich nicht leisten. "Ein paar handgestrickte Socken für 15 Euro? Das ist utopisch", sagt die 46-Jährige und legt das Paar, das sie in der Hand hält, wieder zurück.
Sandra Schlensog bezieht Bürgergeld, arbeitet außerdem acht Stunden pro Woche in einer Einrichtung für psychisch kranke Menschen. Einen Ganztagsjob kann sie wegen gesundheitlicher Probleme nicht ausüben. Das Geld sei bei ihr immer knapp - in der Weihnachtszeit spüre sie es aber besonders. "Teure Geschenke sind einfach nicht drin", sagt sie: "Und auch keine Bratwurst auf dem Weihnachtsmarkt."
Handtasche für 700 Euro
Um eine Bratwurst macht sich im Stuttgarter "Dorotheen Quartier" wohl keiner Gedanken. Die Einkaufsmeile ist in der baden-württembergischen Landeshauptstadt bekannt, für ihre edlen Läden - und ihre potente Kundschaft. Bei Louis Vuitton sind die Preise für Handtaschen meist vierstellig, trotzdem bildet sich in der Adventszeit sogar eine Schlange vor dem Laden. Hier steht neben vielen anderen Thomas Gudd. Er möchte eine Handtasche für seine Freundin kaufen: "Es soll halt was Besonderes sein dieses Jahr."
Die Handtasche, die Manfred Holzknecht für seine Frau kauft, ist für hiesige Verhältnisse sogar noch günstig: 700 Euro. "Frauen lieben nun mal Handtaschen", sagt er: "Wenn man lange verheiratet ist, sollte man der Frau eben mal wieder eine Freude machen." Das gelte auch außerhalb der Weihnachtszeit, sagt seine Frau Katharina: "Man kauft sich halt ab und zu was."
Geschenke selber machen, statt zu kaufen
Für Sandra Schlensog sind auch an Weihnachten keine Sondereinkäufe möglich. Deshalb verschenkt sie Selbstgemachtes, sagt sie: Plätzchen oder Strickmützen. Nur für ihren 16-jährigen Sohn mache sie eine Ausnahme: Für dessen Weihnachtsgeschenk habe sie das ganze Jahr gespart. "Jetzt, wo ich den Nebenjob habe, kann ich schon so zehn, 15 Euro zur Seite legen im Monat", sagt sie. So bekomme sie im Jahr rund 150 Euro angespart. Geld, mit dem sie auch das Weihnachtsgeschenk für ihren Sohn finanziert.
Sandra Schlensog auf einem Weihnachtsmarkt in Karlsruhe.
Der wünscht sich vor allem Klamotten. In seinem Schrank liegt nur "das Nötigste", sagt seine Mutter: zwei Pullis, ein paar T-Shirts, eine Jeans - "die andere hat er an". In ihrer Mietwohnung löst sich die Tapete von den Wänden. "Eigentlich müsste hier neu tapeziert und gestrichen werden", sagt Sandra Schlensog. Doch dafür reiche ihr Geld nicht.
Auch den Möbeln sieht man ihr Alter an: Bei einem Stuhl quillt der Schaumstoff aus einem Riss im Polsterbezug, das 17 Jahre alte Sofa ist durchgelegen. "Das war lange Zeit mein Bett", sagt Sandra Schlensog. Jetzt habe sie wieder ein richtiges Bett, dank einer Spende.
Wenn die Riesenrad-Fahrt nicht drin ist
Sandra Schlensog und ihr Sohn sind in Deutschland keine Ausnahme: 14 Millionen Menschen rechnet der Paritätische Wohlfahrtsverband zu den Armen. Vielen führt die Weihnachtszeit ihre Armut besonders deutlich vor Augen. Trotzdem mag Sandra Schlensog Weihnachten: "Ich mache es mir so gemütlich wie möglich", sagt sie.
Das gehe auch ohne Geld. Den ein oder anderen "Luxus", wie sie sagt, würde sie sich aber trotzdem gern mal leisten, zum Beispiel eine Fahrt mit dem Riesenrad auf dem Weihnachtsmarkt. "Ich finde es wunderschön, vor allem am Abend." Doch eine Fahrt kostet für Erwachsene sechs Euro. "Das ist einfach wahnsinnig teuer", sagt Sandra Schlensog: "Das geht nicht."