Suica Dubravka, Ursula von der Leyen und Stella Kyriakides (von links nach rechts)

Besetzung der EU-Kommission Deutlich weniger Frauen nominiert als erhofft

Stand: 30.08.2024 18:28 Uhr

Bis Samstag müssen die EU-Staaten ihre Wunschkandidaten für die Spitzenposten der EU-Komission nennen. Präsidentin von der Leyen hat sich aus jedem Land einen Mann und eine Frau gewünscht. Doch daraus wird nichts.

Gleichberechtigung ist nicht das Topthema, für das sich Ursula von der Leyen einsetzt. In ihrer Bewerbungsrede für den Posten als Kommissionspräsidentin sprach sie die Frauen erst nach 38 Minuten an, nach den Landwirten. "Lassen Sie uns zusammenarbeiten, um einen Plan für die Rechte der Frauen zu erarbeiten. Wenn nicht jetzt, wann dann", sagte sie in Straßburg.

Doch das heißt nicht, dass das Thema Frauenförderung mit ihr in der EU keine Rolle spielt. Von der Leyen setzt sich für gleiche Bezahlung von Männern und Frauen ein. Und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war der siebenfachen Mutter schon immer ein Anliegen.

Allein die Tatsache, dass sie die erste Frau an der Spitze der EU-Kommission ist, sei ein wichtiges Signal, sagt Henriette Müller von der New York University Abu Dhabi, die zu Gleichberechtigung forscht. "Sie hat einen starken Fokus darauf gesetzt, dass die Kommission gleichberechtigt aufgestellt ist." Auch im mittleren Management und auf den anderen Führungsebenen habe sich mit von der Leyen "einiges getan."

2019: 14 Männer und 13 Frauen nominiert

Zu Beginn ihrer ersten Amtszeit kam von der Leyen ihrem Ziel einer gleichberechtigten Kommission ziemlich nahe. 14 Männer und 13 Frauen wurden damals nominiert. Heute, fünf Jahre später, sieht die Bilanz viel schlechter aus. Die meisten Länder haben ihre Kandidatinnen und Kandidaten bereits ins Rennen geschickt.

Darunter sind, Stand jetzt, 18 Männer und nur sieben Frauen. Für René Repasi, Fraktionschef der SPD im EU-Parlament, ist das ein schlechter Start für die neue Kommissionspräsidentin: "Lässt sie das den Regierungen durchgehen, ohne Konsequenzen, ist sie in der Tat geschwächt."

Dabei hat von der Leyen nach ihrer Wiederwahl gleich Briefe nach Rom und Riga, nach Paris und Budapest geschickt - mit folgender Bitte: Die Regierungen der 27 Mitgliedsstaaten mögen doch jeweils einen Mann und eine Frau benennen, dann habe man eine Auswahl und könne Gleichberechtigung herstellen.

Kaum ein Land hält sich an Quotenverfahren

Kaum ein Land hat sich, wie Bulgarien, an dieses Quotenverfahren gehalten. Stattdessen trudelten die Bewerbungen der männlichen Bewerber ein. Frankreich hält zum Beispiel an Thierry Breton fest, Ungarn möchte eine zweite Amtszeit für Oliver Varhelyi, Lettland schickt erneut Valdis Dombrovskis nach Brüssel, Irland seinen ehemaligen Finanzminister Michael McGrath und Griechenland Apostolos Tzitzikostas.

Es gibt natürlich auch einige Frauen. Aus Kroatien, Finnland und Schweden zum Beispiel. Kaja Kallas, die ehemalige Regierungschefin aus Estland, wird neue Außenbeauftragte der Union - eine Art Außenministerin der Gemeinschaft. Und Deutschland hat ja mit Ursula von der Leyen ohnehin das wichtigste Amt besetzt.

EU-Parlament hat das letzte Wort

Vorschreiben kann von der Leyen die Bewerber nicht, das ist alleine Sache der Länder. SPD-Mann Repasi beschreibt, welche Optionen sie jetzt noch hat. "Sie kann entweder den gesamten Vorschlag der Länder ablehnen - dann müssten die Mitgliedsstaaten einen komplett neuen Vorschlag machen. Oder sie kann die Kandidatinnen mit besonders starken Ressorts ausstatten und damit das Gleichgewicht wiederherstellen."

Das ist ein Trumpf, den von der Leyen in der Hand hat. Sie kann große einflussreiche Ressorts - wie Wettbewerbsfähigkeit, Haushalt, Agrar-, Binnenmarkt und vielleicht ein neues Verteidigungsressort in die Verantwortung von Frauen geben. 

Doch davon hält Christine Verger vom Jaques Delors Center, das in Berlin an die Hertie School angedockt ist, nichts. "Ein wichtiges Ressort soll doch nicht von jemandem besetzt werden, nur weil sie eine Frau ist", sagt sie in einem Statement.

Das letzte Wort hat dann das EU-Parlament. Es kann über die Kandidatinnen und Kandidaten der Länder entschieden. René Repasi hat jedenfalls schon angekündigt, schwache männliche Kandidaten dürften nicht auf Gnade hoffen.

 

Sabrina Fritz, ARD Brüssel, tagesschau, 30.08.2024 15:55 Uhr