Italiens Ministerpräsidentin EU muss sich wegen Meloni Sorgen machen
Die neue italienische Ministerpräsidentin Meloni gab sich zuletzt gemäßigt. Von ihren neofaschistischen Wurzeln hat sie sich jedoch nie distanziert - im Gegenteil. Das könnte für Europa problematisch werden.
Italiens Republik hat schon 67 Regierungen erlebt. Dies aber ist kein Regierungswechsel wie jeder andere.
Mit Giorgia Meloni übernimmt eine Frau als Ministerpräsidentin, die politisch neofaschistische Wurzeln hat und bis heute darauf stolz ist. Eine Botschaft Melonis im Wahlkampf an die eigenen Leute war, ihre Geschichte, die Geschichte der italienischen Rechten nicht zu verleugnen. Eine Geschichte, die geprägt ist vom Faschismus Mussolinis erst und dem Neofaschismus des MSI später; der Partei, in der Meloni ihre politische Karriere begonnen hat.
Politische Jugendsünden sind verzeihlich - wenn auch die Betreffenden selbst sie als solche bedauern. Bei Meloni ist das anders. Wer ihre Autobiografie aus dem vergangenen Jahr liest, die hoffentlich bald auch auf Deutsch erscheint, lernt dies Seite für Seite. Die neue Regierungschefin Italiens distanziert sich nicht von ihrer Vergangenheit in einer neofaschistischen Partei, sondern erzählt mit Stolz von ihr.
Ein Mussolini-Fan als zweiter Mann im Staat
Eine Haltung, die in den Wochen nach dem Wahlsieg dazu geführt hat, dass sie ihren Vertrauten Ignazio La Russa als Senatspräsidenten und damit als zweiten Mann des Staates durchgesetzt hat. Ein Mann, der sein Wohnzimmer mit Mussolini-Statuen schmückt und davon spricht, ein Abhängen von Mussolini-Bildern sei "cancel culture". So als wäre Mussolini normaler Teil der italienischen Kultur und der Faschismus eine politische Strömung wie jede andere.
Eine Ministerpräsidentin, die eine solche Haltung gutheißt, muss Europa Sorgen machen. Hier will jemand Italien kulturell grundlegend verändern.
Viele empfehlen, auch diesen Regierungswechsel in Italien mit Gelassenheit zu sehen. Schließlich habe Meloni zu vielen Themen Positionen, wie sie konservative Politikerinnen und Politiker in Europa ebenfalls vertreten. Das ist richtig. Aber nicht das Problem.
An der Seite von Rechtspopulisten
In vielen außen- und wirtschaftspolitischen Fragen wird Meloni als Regierungschefin pragmatisch agieren. Sie ist klug, clever und politisch erfahren genug, um zu wissen, wann Realpolitik und nicht Ideologie gefragt ist. Meloni wird die NATO nicht in Frage stellen, und auch viele Grundlinien der EU-Politik wird sie problemlos mittragen - nicht zuletzt die Unterstützung für die Ukraine. Meloni mag dann wie eine ganz normale Konservative wirken.
Sie ist es aber nicht. Sie betrachtet als ihre engsten Verbündeten die Rechtspopulisten der spanischen Vox und die polnische Regierungspartei PiS, geht Seite an Seite mit Ungarns Orban. In ihrer Regierung heißt das Familienministerium nun auch Ministerium für Geburtenrate, das Landwirtschaftsministerium auch Ministerium für Lebensmittelsouveränität, anknüpfend an einen Mussolini-Mythos.
Eine Frage grundsätzlicher Werte
Meloni ist bis heute nicht bereit, die politischen Wurzeln ihrer neofaschistischen Herkunft abzuschneiden. Stattdessen empfiehlt sie ein gelassenes Verhältnis zum Faschismus. Das ist definitiv die falsche Haltung für die Ministerpräsidentin eines EU-Staates, so pragmatisch sie in vielen Fragen auch auftreten mag. Europa braucht Italien, und Wahlergebnisse sind zu respektieren. Aber hier geht es nicht um eine Petitesse oder eine Frage für den Geschichtsunterricht, wie Meloni häufig behauptet. Hier geht es um grundlegende europäische Werte.
Solange Italiens neue Ministerpräsidentin an diesem Punkt nicht Klarheit schafft, kann und sollte sie nicht behandelt werden als eine Regierungschefin wie jede andere. Berlusconi als Ministerpräsident Italiens war ein Problem für Europa. Meloni ist ein noch größeres.