Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, kommt zu einem Treffen mit Wirtschaftsminister Habeck und Bundeskanzler Scholz ins Kanzleramt

Gespräche zur Koalitionskrise Ein kurzes Dreiertreffen im Kanzleramt

Stand: 05.11.2024 13:20 Uhr

Die Ampel streitet über die richtige Wirtschaftspolitik. Zu dritt suchten Kanzler Scholz und seine Minister Lindner und Habeck einen Weg raus aus der Krise. Ein Kompromissangebot der Grünen lehnt FDP-Fraktionsvize Meyer ab.

Auf der Suche nach einem Ausweg aus der Koalitionskrise hat sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) erneut mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Kanzleramt getroffen. Nach rund zwei Stunden war das Treffen beendet, über Ergebnisse ist nichts bekannt. Die Koalition streitet grundlegend über die Wirtschaftspolitik. Unabgestimmte Gipfeltreffen und unterschiedliche Papiere hatten den Konflikt zuletzt befeuert.

Konkret müssen vor der entscheidenden Sitzung des Haushaltsausschusses zum Etat 2025 am 14. November auch noch Lücken geschlossen werden. Seit Tagen lädt Scholz zu Treffen in kleinen Runden, in denen es um die Zukunft der Koalition geht. Am Mittwoch tritt dann mit dem Koalitionsausschuss eine größere Runde zusammen, der auch die Partei- und Fraktionschefs von SPD, Grünen und FDP angehören.

Streit über Lindners Positionspapier

Ein Ende vergangener Woche bekannt gewordenes Positionspapier Lindners hatte den Streit über die Wirtschafts- und Haushaltspolitik in der Ampel-Regierung weiter angeheizt. Der FDP-Chef fordert darin etwa Steuersenkungen für Unternehmen, Lockerungen der Klimavorgaben und die Reduzierung von Subventionen und Sozialleistungen. Viele der Vorschläge widersprechen dem bisherigen Kurs der Bundesregierung. 

Habeck sieht FDP und SPD am Zug

Wirtschaftsminister Habeck ging darauf im Streit über den Haushalt 2025 einen Schritt auf Lindner zu. Er bot an, frei werdende Mittel für die vorerst nicht gebaute Intel-Chipfabrik in Magdeburg zu nutzen, um Löcher im Bundeshaushalt zu stopfen. Dies hatte Lindner gefordert. Für die Förderung der Chipfabrik waren insgesamt zehn Milliarden Euro eingeplant, vier Milliarden Euro davon im kommenden Jahr. Da der Bau der Fabrik vom Konzern auf Eis gelegt wurde, werden die Mittel aber vorerst nicht abgerufen. 

Habeck sieht in der Krise der Koalition nun SPD und FDP am Zug, um ein vorzeitiges Aus des Bündnisses abzuwenden. "Nun erwarte ich allerdings auch, dass die anderen auch im eigenen Bereich mal Vorschläge machen und nicht immer nur - und das ist ja das schlechteste Spiel - immer den anderen sagen, was sie von ihnen erwarten", sagte Habeck in den tagesthemen. Er habe jetzt vorgelegt.

Appell zum Durchhalten

Habeck rief angesichts der US-Wahl und des Ukraine-Kriegs zum Durchhalten auf. Dies sei die schlechteste Zeit, eine Regierung platzen zu lassen. Die Ampel habe es immer wieder hinbekommen, in schwierigen Situationen auch Beschlüsse zu fassen. Aber: "Diese Koalition wird auch keine Liebesbeziehung mehr werden", so Habeck.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge mahnte die Koalitionäre ebenfalls, jeder müsse sich nun bewegen, man müsse mehr miteinander reden. Habeck habe hierbei vorgelegt, sagte Dröge im Morgenmagazin.

Hart ging Dröge mit dem "Papier für eine Wirtschaftswende" von Lindner ins Gericht. Dies sei eine "gezielte Provokation" und ein "hartes Papier" mit Sicht der FDP gewesen. Sie kritisierte zugleich die Absage Lindners, die Schuldenbremse zu lockern. Diese habe sich zu einer Wachstumsbremse entwickelt. 

FDP: Deutschland braucht Wirtschaftswende

FDP-Fraktionschef Christian Dürr spielte den Ball zurück. Dürr sagte der Nachrichtenagentur dpa, es sei folgerichtig, dass die Intel-Milliarden zurück in den Haushalt gingen. "Ich bin froh, dass auch Robert Habeck zu dieser Einsicht gekommen ist. Vom Wirtschaftsminister würde ich mir in dieser Situation aber substanzielle Ideen zur Stärkung unseres Wachstums wünschen. Wir brauchen eine echte Wirtschaftswende", so Dürr. Der Finanzminister habe dazu Vorschläge gemacht. 

Für Christoph Meyer ist Habecks Angebot nichts anderes als eine "Mogelpackung". "Die Intel-Milliarden hat er nicht und kann sie deshalb auch nicht verdealen", sagte der FDP-Finanzexperte und Fraktionsvize im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Zudem würde die Summe nicht ansatzweise genügen, um die nach wie vor bestehende Milliardenlücke im Haushaltsentwurf der Ampelkoalition zu stopfen. Mit den frei werdenden Geldern aus der Intel-Förderung könnten nicht einmal die Steuermindereinnahmen und die stark steigenden Kosten für die staatliche Förderung erneuerbarer Energien ausgeglichen werden, betonte Meyer.

Er forderte die Grünen stattdessen zu einer grundsätzlicheren Änderung in der Haushalts- und Wirtschaftspolitik auf. "Die Erwartungen von Menschen, Industrie und Betrieben sind klar, deshalb hat die FDP geliefert und ein Angebot vorgelegt", so der Fraktionsvize. Nun sei es an den Grünen, zu zeigen, "ob sie zur Wirtschaftswende und dem verfassungskonformen Haushalt stehen oder nicht".

Scholz: "Pragmatismus statt Ideologie"

Derweil erwartet der Kanzler, dass die Ampelkoalition ihre Arbeit fortsetzt. "Wir haben dafür eine Grundlage. Das ist der Koalitionsvertrag. Der ist verhandelt", hatte Scholz bereits am Montag deutlich gemacht.

Zudem habe das Kabinett im Sommer einen Entwurf für den Bundeshaushalt auf den Weg gebracht. Dem Bundestag sollten dazu nun noch "ein paar zusätzliche Vorschläge" gemacht werden. Es gehe in der aktuellen Zeit um Pragmatismus und nicht um Ideologie. 

Scholz selbst sieht sich trotz der Krise noch als Kapitän der Ampel-Regierung. Bei einem Sportempfang der SPD-Bundestagsfraktion antwortete er auf die Frage, ob er sich eher als Schiedsrichter oder Trainer sehe: "Ich bin ja noch auf dem Platz, insofern wäre Kapitän wahrscheinlich passender als eine dieser beiden Alternativen. Ich spiele mit und versuche schon, dass die Mannschaft Tore schießt."

Mario Kubina, ARD Berlin, tagesschau, 05.11.2024 12:43 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 05. November 2024 um 12:22 Uhr.