Russlands Angriffskrieg Putins Verbrechen
Ein Jahr Krieg gegen die Ukraine bedeutet: ein Jahr verbrecherischer Angriffe auf die Menschen im Land. Der Westen muss nun die Frage beantworten, was es heißt, dass die Ukraine nicht verlieren darf.
Der 24. Februar 2022 ist ein düsteres Datum. In ihm verdichten sich Erinnerung und Vergegenwärtigung, was Russland mit seinem Angriff auf die Ukraine ausgelöst hat und bis heute fortführt.
Putins Armee hat weite Teile der Ukraine zerstört. Sie hat Städte und Dörfer, Wohnhäuser und zivile Infrastruktur gezielt bombardiert, um die ukrainische Bevölkerung mit Terror, Angst und Verzweiflung zu brechen. Sie hat Kriegsverbrechen in einem kaum beschreibbaren Ausmaß begangen.
Die russische Führung spricht einem ganzen Volk die Existenzberechtigung ab und setzt weltweiten Hunger und Flüchtlingsbewegungen als Mittel des Krieges ein. Und sie setzt als erste Nuklearmacht die Möglichkeit eines Atomkriegs nicht nur als ultimatives Mittel der Abschreckung ein, sondern zur Verstärkung ihrer Angriffsziele.
Ein Fall für internationale Gerichte
Geschätzt mehr als 100.000 Menschen sind in diesem einen Kriegsjahr bereits gestorben, Zehntausende verletzt und verstümmelt. Ungezählte Familien wurden auseinandergerissen, Kinder nach Russland verschleppt. Millionen Menschen im Land sind auf Hilfe angewiesen. All dies muss eines Tages vor internationalen Gerichten aufgearbeitet werden.
Dass die Ukraine dennoch bis heute die russischen Angriffe abwehren konnte, kann nicht genug gewürdigt werden und verdient die entschlossene Solidarität und Unterstützung - auf Jahre hinaus. Dies wird den Bevölkerungen in den Staaten von EU und NATO viel abverlangen, und die Debatten darüber dürften schon bald schärfer werden.
Auch deshalb muss in den Staaten des Westens eine entscheidende Frage noch klarer beantwortet werden: Was bedeutet das Bekenntnis, dass die Ukraine diesen Krieg nicht verlieren darf oder, wie Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius es formuliert hat, dass sie ihn gewinnen muss?
Ist das Ziel ein Rückdrängen der russischen Streitkräfte zur Kontaktlinie des 23. Februar 2022, also in die schon damals besetzten ukrainischen Gebiete im Donbass? Oder ist es das Ziel, die gesamte territoriale Integrität der Ukraine wiederherzustellen - inklusive der Krim, so wie es der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als Ziel ausgegeben hat?
Putins Risiko
Das eine wie das andere Ziel wird gewaltige Veränderungen in Russland nach sich ziehen. Präsident Wladimir Putin mag seine Herrschaft seit Kriegsbeginn endgültig in eine Diktatur verwandelt haben. Doch sein politisches Schicksal ist an eine Eroberung signifikanter Teile der Ukraine geknüpft. Bislang hat er keines seiner Ziele erreicht.
Scheitert Putin, könnte dies Machtkämpfe in Russland zur Folge haben, die noch extremere Gestalten nach oben spülen und möglicherweise sogar den Bestand des Landes gefährden. Auch darauf muss sich der Westen einstellen.
Lehre aus Fehleinschätzungen
Russlands Angriffskrieg hat gravierende außenpolitische Fehleinschätzungen der Staaten des Westens und insbesondere Deutschlands schonungslos offengelegt. Die geopolitischen Herausforderungen, die daraus erwachsen, sind enorm.
Sie stellen sich in einer Zeit, in der der Westen und vor allem die USA gerade dabei waren, sich auf eine verstärkte Auseinandersetzung mit der Volksrepublik China einzustellen. Daran ändert dieser Krieg nichts, zumal für die Vereinigten Staaten.
Die EU aber muss umso mehr die Erkenntnis annehmen, dass sie endlich und dringend zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik finden muss. Wenn die EU sich ernsthaft daranmachen würde, hier ihre Differenzen und Egoismen zu überwinden, wäre auch das ein Erfolg, der weit über diesen Krieg hinausreichen würde.