Für Moderation von Journalistin Bundeskriminalamt zahlte rund 50.000 Euro
Die Bundesregierung zahlte nach Recherchen von WDR und NDR höhere Honorare für Moderationen von Journalisten als bislang bekannt. Die Moderationen einer Journalistin kosteten rund 50.000 Euro.
Die Herbsttagung des Bundeskriminalamtes (BKA) ist eine traditionsreiche Veranstaltung. Seit 1954 findet sie alljährlich statt. Eine zweitägige Fachtagung rund um die Sicherheit in Deutschland. Der internationale Terrorismus war bereits Thema, der Rechtsextremismus, auch die Cyberkriminalität. Polizisten aus Bund und Ländern besuchen die Tagung, auch Wissenschaftler und Medienvertreter sind dabei.
Durch die Veranstaltung führte mehrfach eine Frau, die sonst eher im Fernsehen zu sehen ist: Anke Plättner, freie Journalistin, bekannt als Moderatorin von politischen Talkrunden bei Phoenix oder aus Interviews im WDR-Fernsehen und in der ARD, auch in Schalten der Tagesschau und im Morgenmagazin - auch zu Themen der Inneren Sicherheit.
Drei Mal hat Anke Plättner bislang die BKA-Herbsttagung moderiert, in den Jahren 2019, 2021 und zuletzt im November 2022. Wie das Bundesinnenministerium auf Anfrage von WDR und NDR mitteilte, hat das Bundeskriminalamt für ihre Moderationen jeweils 15.488,49 Euro, 20.980,42 Euro sowie zuletzt 16.600 Euro ausgegeben - öffentliche Gelder.
Drei Mal hat Plättner bislang die BKA-Herbsttagung moderiert. (Archivbild)
Summen, die wegen ihrer Höhe herausstechen aus mehreren Listen, die Ministerien zuletzt an Medien und im Rahmen einer Kleinen Anfrage der AfD im Parlament herausgegeben hatten. Die meisten Aufträge an Journalistinnen lagen demnach im dreistelligen Bereich, Moderationen in den allermeisten Fällen im Vierstelligen.
Plättner sieht keinen Interessenkonflikt
Plättner sieht auf Anfrage keinen Interessenkonflikt. Die BKA-Tagung sei eine zweitägige Fachkonferenz für die Innere Sicherheit, vor allem mit internationalen Experten und Wissenschaftlern. "Dort treten keine Politiker auf, der Bundesinnenminister bzw. Staatssekretär und die Bundesinnenministerin haben jeweils nur eine Ansprache gehalten", teilte Plättner schriftlich mit.
Für die Herbsttagung 2019 seien laut Anke Plättner 14.875 Euro inklusive Mehrwertsteuer bezahlt worden, für 2021 und 2022 jeweils 16.660 Euro. Hinzugekommen sind laut Plättner jeweils die Reisekosten, was die Diskrepanz zu den noch höheren Ministeriumszahlen erklären könnte.
"Die Vorbereitung zieht sich über mehrere Monate, inklusive Treffen und Briefings mit dem Organisationsteam und den Referenten. In 2021 wurde die Tagung wegen Covid auf ein aufwändiges hybrides Format umgestellt", erklärt Plättner die Höhe der Zuwendungen. Das BKA wiederum teilt dazu mit, der im Jahr 2021 an "Frau Plättner ausgezahlte Gesamtbetrag in Höhe von 20.980,42 Euro" habe "neben dem Moderationshonorar für die Herbsttagung zzgl. Mehrwertsteuer und Reisekosten auch eine Vergütung für vorherige Besprechungen/Briefingtermine, eine Testveranstaltung sowie eine technische Einweisung" beinhaltet.
1,5 Millionen Euro seit 2018
Seit 2018 hat die Regierung mindestens 1,5 Millionen Euro für Moderationen, Texte, Lektorate, Fortbildungen, Vorträge und Veranstaltungen von Journalistinnen und Journalisten ausgegeben, so ging es aus einer Kleinen Anfrage hervor. Laut Bundesregierung flossen demnach etwa 900.000 Euro an Journalistinnen und Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des Auslandssenders Deutsche Welle, weitere rund 600.000 Euro an Mitarbeitende privater Medien.
Die Medienvertreter waren anonymisiert, teilweise waren die gezahlten Gelder auch summiert angegeben worden. Wie das Portal "t-online" berichtet hatte, soll es sich um insgesamt rund 200 Journalistinnen und Journalisten gehandelt haben, von denen 120 beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig waren.
"Moderatorin, nicht Journalistin"
Schon im Januar hatte die "taz" berichtet, dass die ehemalige tagesschau-Sprecherin und aktuelle Pro-Sieben-Moderatorin Linda Zervakis vom Bundeskanzleramt für Moderationen externer Veranstalter ausgesucht und engagiert worden war, unter anderem für ein Interview mit Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Medienmesse re:publica in Berlin.
Insgesamt soll das Kanzleramt der Journalistin im vergangenen Jahr mehr als 12.000 Euro gezahlt haben. Das Management von Zervakis hatte auf Anfrage erklärt, sie sei als Moderatorin für die Veranstaltungen gebucht und bezahlt worden, nicht als Journalistin.
Im Fall von Anke Plättner war die Herbsttagung des BKA nicht die einzige Moderation außerhalb von Plättners Tätigkeit für die Fernsehsender. Ihre Auftraggeber sind auch auf ihrer Internetseite zu sehen: Es handelt sich vor allem um Ministerien, um Parteien, um Lobbyverbände und Gewerkschaften - den erweiterten politischen Betrieb der Hauptstadt.
Plättner war viele Jahre lang beim WDR als politische Reporterin und Redakteurin tätig und auch beim gemeinsam von ARD und ZDF getragenen Sender Phoenix. 2013 hat sie sich eigenen Angaben zufolge selbständig gemacht, als Journalistin, Moderatorin, Trainerin und auch Geschäftsführerin einer Journalistenorganisation. Bis heute aber arbeitet sie als freie Mitarbeiterin für den WDR und weitere öffentlich-rechtliche Sender.
Plättners Themen in der "Phoenix-Runde" und im "Internationalen Frühschoppen" streifen dabei alle wichtigen politischen Felder: auch Themen zur inneren Sicherheit, um die es etwa bei der BKA-Tagung geht, die sie regelmäßig für das Bundeskriminalamt moderiert.
Sorge vor einem Interessenkonflikt
Genau darin könnte ein Problem liegen, meint Volker Lilienthal, Journalistik-Professor an der Universität Hamburg. Er verweist dabei auf die Kontrollfunktion von Journalismus gegenüber staatlichen Institutionen, die wichtig für eine funktionierende Demokratie sei. "Man kann ihr nicht mehr trauen, wenn die berichterstattenden Personen von diesen Ministerien oder Behörden häufiger mal bezahlt werden und dann eben sogar mit sehr hohen Summen honoriert werden, für ihre Moderationstätigkeit", so Lilienthal. Der Wissenschaftler fürchtet einen Interessenskonflikt.
Journalistik-Professor Lilienthal sieht durch solche Praktiken die Kontrollfunktion von Journalismus gegenüber staatlichen Institutionen gefährdet.
Diese Frage muss sich nun auch Plättner gefallen lassen - ebenso wie andere Journalisten, bei denen sich der Verdacht eines Interessenkonfliktes aus den zuletzt bekannt gewordenen Listen der Behörden ergibt. Das Innenministerium benennt WDR und NDR etwa 50 Aufträge an Journalistinnen und Journalisten im Zeitraum von 2018 bis 2022. Zumeist werden dreistellige Summen für die Erstellung von Artikeln, Reportagen, für Projektvorstellungen und Interviews gezahlt. Für Moderationen sind die Beträge zumeist niedrig bis mittel vierstellig.
Unterschiedliche Interessenlage
Heraus sticht neben den von Plättner präsentierten BKA-Tagungen eine Cybersicherheitskonferenz aus dem Herbst 2020, für die 9280 Euro an Moderationskosten veranschlagt wurden. Die Moderation übernahm ein Radiomoderator des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Nicht alle Journalisten auf diesen Listen haben zugleich einen Interessenkonflikt, manche von Ihnen etwa arbeiteten zum Zeitpunkt ihres Moderationsauftrages nicht mehr als Reporter.
Plättner übernahm 2017 auch Aufträge der CDU/CSU-Fraktion. Kurz bevor die CSU mit Horst Seehofer das Bundesinnenministerium und Plättner dann die Moderation der BKA-Herbsttagung übernahm, führte sie durch drei Fachtagungen zu Digitalisierung, Sicherheit und Energie bei der CDU/CSU Fraktion, wie sie auf Anfrage bestätigt. "Diese Tätigkeit steht in keinerlei Zusammenhang mit den Herbsttagungen des BKA", sagte sie.
Massive Kostensteigerung beim BKA
Mit Plättners Übernahme der Herbsttagungs-Moderation verteuerte sich der Posten Moderation für das BKA auf das Dreifache. Für die Vorgängerin Plättners, eine andere öffentlich-rechtliche Journalistin, wurden noch 4200 Euro veranschlagt. Wie kam es zu den Summen?
"Die Höhe der einzelnen Honorare basiert auf individuellen Vereinbarungen", so eine BKA-Sprecherin. Ausschlaggebend hierfür seien "verschiedenen Kriterien, z.B. thematischer Schwerpunkt der Herbsttagung, Erfahrung in der Moderation von politischen Formaten, aber auch Kostenaspekte" gewesen. Auf Nachfrage erklärte das BKA dazu, die "Kostenaspekte" hätten sich bei der Vergabe der Moderation auf "weitere personelle Optionen" bezogen. Oder anders gesagt: Andere angefragte Personen nannten wohl noch höhere Honorare.
Gerade die öffentlich-rechtlichen Sender hätten bei möglichen Interessenkonflikten eine besondere Verantwortung, sagt Journalistik-Professor Lilienthal: "Die Staatsferne des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk wird gerade heute von bestimmten politischen Milieus grundsätzlich abgestritten. Und da kommt es umso mehr darauf an, dass alle Beteiligten, also Mitarbeitende genauso wie Vorgesetzte, dieses Problem im Auge haben."
Tatsächlich müssen sich festangestellte Reporter in der Regel Nebentätigkeiten genehmigen lassen. Wenn sich mögliche Kollisionen ergeben, wird eine Genehmigung verwehrt. Bei Freiberuflern kommt es darauf an, wie stark sie vertraglich an den Sender gebunden sind. Üblich ist es, dass Selbstständige, sollte sich ein möglicher Interessenkonflikt andeuten, ihren Auftraggebern die Tätigkeiten zumindest anzeigen und eine Meinung dazu einholen.
"Honorare müssen von Freien nicht offengelegt werden"
Ob dies im Falle Plättner geschehen ist, beantwortete die Journalistin nicht. Auch Phoenix ging nicht auf den konkreten Fall ein, äußerte sich allgemein. Honorarhöhen und Auftraggeber müssten von Freien nicht offengelegt werden. Plättners Berufsfreiheit müsse "im Einzelfall jedoch mit den berechtigten Interessen des Arbeitgebers in Ausgleich gebracht werden". Die Tätigkeiten der freien Mitarbeiterin Plättner würden für Phoenix über das ZDF abgewickelt.
Demnach dürften die Nebentätigkeiten von festangestellten und freien Mitarbeitenden die Interessen des ZDF nicht beeinträchtigen und sind danach insbesondere so zu gestalten, dass die journalistische Unabhängigkeit außer Frage steht, betonte Phoenix auf Anfrage.
Ähnlich äußerte sich der WDR auf Anfrage. "Diese Tätigkeiten müssen im Einzelfall mit den berechtigten Interessen des WDR in Ausgleich gebracht werden. Für uns ist eines der wichtigsten Kriterien, ob durch eine etwaige Interessenkollision die Unabhängigkeit des Programms beeinträchtigt sein könnte". Bei freien Journalisten sei ein Genehmigungsverfahren nicht wie bei Festangestellten möglich.