Die Yacht "Valerie" im Hafen von Barcelona, Spanien.
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EU-Emissionshandel Superjachten bleiben abgabenfrei

Stand: 17.01.2023 17:06 Uhr

Die EU hat sich auf eine Ausweitung des Emissionshandels verständigt. Auch der Schiffsverkehr wird künftig einbezogen. Doch nach NDR-Informationen wird es weiter Ausnahmen geben - unter anderem für große Jachten.

350 Liter, 500 Liter oder sogar mehr als 1000 Liter Diesel pro Stunde. Jachten verbrauchen enorme Mengen Sprit - und in der Regel gilt: Je größer das Schiff desto mehr Diesel und entsprechend große Mengen an Treibhausgasen. In einer Fahrtstunde blasen viele der größeren Jachten mehr als eine Tonne CO2 und weitere klimaschädliche Gase in die Luft. Die meisten sogenannten Superjachten kommen auf Tausende Tonnen pro Jahr. Im Vergleich: Ein Mensch in Deutschland verursacht im Schnitt insgesamt im Jahr etwa elf Tonnen Treibhausgase.

Dennoch profitieren die Besitzer oder Mieter von Jachten weiterhin von einer Ausnahmeregel im CO2-Emissionshandel. Seit 2005 müssen einige große Industriebetriebe Zertifikate für ihren Ausstoß kaufen, seit 2012 auch Luftfahrtunternehmen für innereuropäische Flüge. Nun hat sich die EU Ende vergangenen Jahres darauf verständigt, dieses System auszuweiten.

Ausnahme für "Freizeitboote"

Künftig sollen etwa auch der Straßenverkehr und Gebäude erfasst werden. Als ein großer Durchbruch wird von vielen auch die jetzt beschlossene Ausweitung des Emissionshandels auf den Schiffsverkehr angesehen. Allerdings werden vorerst nur sehr große Passagier- und Frachtschiffe ab 5000 Bruttoregistertonnen berücksichtigt. Für sie müssen ab 2024 schrittweise CO2-Zertifikate erworben werden.

Das gelte aber nicht für "nicht-gewerbliche Betreiber oder reine Freizeitboote", teilte die EU-Kommission auf Anfrage des NDR mit - unabhängig von der Größe. Also selbst ein Milliardär muss für ein riesiges Schiff keine CO2-Rechte kaufen, wenn er es selbst nutzt. Dabei sind die Ausstöße enorm.

"Superjachten" stoßen massiv Treibhausgase aus

Das haben unter anderem die beiden US-Wissenschaftler Beatriz Baros und Richard Wilk untersucht. Sie haben die Emissionen von 20 Milliardären weltweit analysiert. "Unter den zahlreichen Besitztümern von Milliardären sind große 'Superjachten' die mit Abstand größten Verursacher von Treibhausgasen", schreiben Baros und Wilk.

"Superreiche Jachtbesitzer verursachen an einem Sommertag mehr Umweltverschmutzung als die Mehrheit der Menschen in ihrem ganzen Leben, doch die Politiker lassen sie weiterhin ungeschoren davonkommen", kritisiert auch Jacob Armstrong von der Nichtregierungs-Organisation Transport & Environment. Er hat analysiert, für welche Mengen an Treibhausgasen Jachten insgesamt verantwortlich sind. Demnach gibt es etwa 1500 größere Jachten in Europa, die im Schnitt etwa 725 Tonnen CO2 pro Jahr ausstoßen. Sie würden weiter vom Emissionshandel ausgenommen bleiben, so Armstrong.

Besitzer von Charterjachten müssen zahlen

Allerdings verweist die EU-Kommission darauf, dass nicht alle großen Jachten von den Eigentümern selbst genutzt, sondern teils auch zum Chartern angeboten würden. Sie werden also gewerblich genutzt. Und einige dieser Schiffe würden voraussichtlich unter das EU-Emissionshandelssystem fallen, schreibt die Kommission. Wie viele das sind, teilt sie aber nicht mit. Es dürften sehr wenige sein.

In den Top-Listen der größten Jachten der Welt finden sich vielleicht fünf Schiffe in dieser Größe, die zum Chartern angeboten werden. Selbst zum Beispiel die mehr als 105 Meter lange Jacht mit dem Namen "Dream" fällt unter die 5000-Bruttoregistertonnen-Grenze und muss deshalb nicht am Zertifikatehandel teilnehmen - trotz enormen CO2-Ausstoßes.

Die Jacht hat einen Pool, Spa, Kino, Helikopterlandeplatz, 22 Luxuskabinen und eine mehr als 30-köpfige Besatzung. Laut einer Jachtcharter-Seite kann sie ab zwei Millionen Euro pro Woche gemietet werden. Mit ihrem 290.000 Liter fassenden Tank könne sie bei einer Geschwindigkeit von 13 Knoten bis zu 6300 Meilen (etwa 11.666 Kilometer) weit kommen, heißt es auf der Seite. Das entspricht umgerechnet einem Verbrauch von 2500 Litern auf 100 Kilometer - und mehr als 6,5 Tonnen CO2.

"Bürokratischer Aufwand zu groß"

Als Begründung dafür, warum solche Schiffe beim Emissionshandel außen vor bleiben dürfen, heißt es von der EU, die großen Fracht- und Passagierschiffe jenseits der 5000-Bruttoregistertonnen-Grenzen seien für 90 Prozent der Emissionen im Schiffsverkehr verantwortlich. Um kleinere Schiffe ebenfalls zu erfassen, sei der bürokratische Aufwand zu groß.

Der Europaabgeordnete Peter Liese von der CDU war an den Verhandlungen zum Emissionshandel beteiligt. Er sagt, das Europäische Parlament habe eine andere Regel vorgeschlagen. Demnach sollten nicht die einzelnen Schiffsbesitzer ihre Emissionen melden. Stattdessen sollte der CO2-Preis einfach auf den getankten Treibstoff aufgeschlagen werden - ähnlich wie es auch jetzt schon in Deutschland im Straßenverkehr laufe.

Peter Liese

Der CDU-Europaabgeordnete Liese konnte den Vorschlag, den Treibstoff mit Abgaben zu belegen, nicht durchsetzen.

Aber das hätten die anderen Institutionen der EU, der Rat und die Kommission, abgelehnt. Sie hätten mit einem "zu großem administrativem Aufwand" argumentiert, so Liese. Denn Ziel war offenbar immer, Besitzern von kleineren Privatbooten, Fischern oder etwa Betreibern von Inselfähren keine zusätzlichen Kosten aufzubürden. Und es sei praktisch unmöglich zu unterscheiden, wer den Brennstoff tanke - so hätten es Rat und Kommission formuliert, sagt Liese. "Deswegen konnten wir uns mit der aus meiner Sicht sinnvollen Position des EU-Parlaments nicht durchsetzen."

Eine Größengrenze hat die EU auch bei einer weiteren Regulierung vorgesehen, die dazu dienen soll, die CO2-Emissionen im Schiffsverkehr zu senken, bei der "ReFuel Maritime"-Initiative. Auch hier sollen nur Schiffe ab 5000 Bruttoregistertonnen berücksichtigt werden. Rasmus Andresen von den Grünen sagt, seine Partei habe sich für eine Absenkung dieses Wertes eingesetzt. Leider hätten Konservative, Liberale und Sozialdemokraten das nicht unterstützt. "Wir werden weiter dafür kämpfen, dass die Dekarbonisierung der Schifffahrt fair und umfassend abläuft", sagt Andresen. "Wer sich eine Jacht leisten kann, kann es sich auch leisten, seinen oder ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten."

Doch vorerst ist das nicht der Fall. Auch bei Privatjets werden Ausnahmeregeln weiter bestehen bleiben. Viele Betreiber fallen auch hier unter Schwellenwerte, ab der sie Emissionsrechte erwerben müssten. Wer privat oder für die eigene Firma einen Jet nutzt, darf bis zu 1000 Tonnen CO2 kostenfrei ausstoßen. Bei gewerblichen Betreibern, also etwa Charterfirmen, liegt die Grenze sogar bei 10.000 Tonnen.

Einige reiche Menschen können sich also weiterhin extrem CO2-intensiv fortbewegen, ohne dafür zusätzliche Kosten zu bezahlen, wohingegen etwa der Straßenverkehr künftig europaweit in den Emissionshandel eingebunden sein wird. "Diese Ungleichbehandlung ist wirklich verblüffend und sehr unfair", sagt dazu Armstrong von der NGO Transport & Environment.

Christian Baars, Christian Baars, NDR, 18.01.2023 05:49 Uhr