Finanzlage der Städte Millionen in Mainz, knausern in Kusel
Ob Straßen, Schulen oder das Schwimmbad saniert sind, hängt auch davon ab, wo man wohnt. Die meisten Städte und Kommunen sind verschuldet. Wunder sind selten, aber möglich.
Vom notorischen Knauserer zum großzügigen Geber - was nach Wunschdenken klingt, ist für die Stadt Mainz wahr geworden. Möglich machen es die Gewerbesteuereinnahmen, konkret die Steuern des Unternehmens BioNTech, das in der Coronakrise durch die Entwicklung eines der ersten Impfstoffe Ruhm und stattliche Einnahmen erlangte.
Mehr als zehn Milliarden Euro Gewinn im Jahr 2021 - dadurch wurden der Landeshauptstadt eine Milliarde Euro in die Kassen gespült. Bürgermeister und Finanzdezernent Günter Beck (Grüne) nennt es "das Wunder von Mainz". Ein Wunder, das es der hoch verschuldeten Stadt möglich machte, nicht nur die Schulden zu bedienen, sondern nach vielen Jahren des Sparens endlich investieren zu können. Und: Die Stadt zahlt inzwischen in den kommunalen Finanzausgleich ein, anstatt Geld zu beziehen.
Schöner wohnen: Mainz hat dank BioNTech plötzlich Geld statt Schulden.
Millionen für Wohnungen, Schulen, Schwimmbad
Im November hat der Mainzer Stadtrat, hier regiert wie im Bund eine Ampelkoalition, den Doppelhaushalt 2023/24 beschlossen. Klimaschutzmaßnahmen, Kinder- und Jugendförderung, Kulturarbeit, Sozialpolitik, Unterstützung von Ehrenamt und Sportvereinen - das Spektrum ist breit.
Zehn Millionen Euro pro Jahr beispielsweise sind für Wohn- und Gewerbeflächen vorgesehen. Für die Sanierung, Erweiterung und Neubau der Mainzer Schulen stehen knapp 80 Millionen Euro bereit, für städtische Kitas rund 20 Millionen Euro. Und: Das marode Taubertsbergbad, größtes Freizeitbad der Stadt, bekommt eine größere Finanzspritze als ursprünglich gedacht.
Aber auch Wirtschaftsförderung steht auf dem Plan. Die Gewerbesteuer wurde schon 2021 an den Satz der reichen Nachbarstadt Ingelheim, Hauptsitz des Pharmaunternehmens Boehringer, angepasst - also nach unten gesenkt. Das kostet unterm Strich zwar rund ein Drittel der Einnahmen aus dieser Steuer. Dafür bleibt das Unternehmen BioNTech aber am Standort Mainz. Die Firmenadresse ist bezeichnend: An der Goldgrube 12. Die Geldquelle auch für die Stadt sprudelt erstmal weiter.
In Kusel müssen sie knapsen
Von Mainzer Verhältnissen können viele Städte und Kreise jenseits der Landeshauptstadt nur träumen. Kaiserslautern, Kusel, der Donnersbergkreis - alle in der Westpfalz gelegen, alle hoch verschuldet. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist in Rheinland-Pfalz im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt fast doppelt so hoch. Der bundesweite Negativrekord wird vom Landkreis Kusel in der Westpfalz gehalten.
Was Landrat Otto Rubly (CDU) mit einem Geldregen machen würde? "Schulden abbauen und investieren - vor allem in die Infrastruktur. Mehr Wirtschaftsförderung bedeutet mehr Gewerbe, mehr Zuzug, der Landkreis würde attraktiver für die Menschen." Der Zwang, bei der Erschließung neuer Gewerbeflächen mit extrem spitzem Bleistift zu rechnen, habe ihn schon die eine oder andere Ansiedlung gekostet. "Wegen des Kostendrucks waren wir nicht schnell genug." Das Land, so seine Forderung, müsse mehr für die strukturschwachen Regionen tun.
Entschuldung mit Haken
Ein geplantes Entschuldungsprogramm soll besonders hoch verschuldete Kommunen in den kommenden beiden Jahren entlasten. Das Land, so der Plan, übernimmt einen Teil der Kassenkredite der Kommunen, insgesamt geht es um drei Milliarden Euro.
Das Problem: Die betroffenen Kreise und Städte müssen einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, dürfen also keine neuen Schulden machen. Für den Landkreis Kusel würde das bedeuten, dass die Gemeinden deutlich mehr Geld an den Kreis überweisen - die sogenannte Kreisumlage würde auf 54 Prozent der Gemeindeeinnahmen steigen. "Nicht nur unmöglich, sondern wahrscheinlich auch unzulässig", schimpft Rubly.
Auch andere Städte und Kommunen werden deswegen wohl nicht am Entschuldungsprogramm teilnehmen können. "Wo schon Geld ist, kommt noch mehr Geld hin. Kein Wunder, wenn man das Gefühl hat, die Region wird abgehängt."
Eine Härtefallregelung, also mehr Geld für extrem verschuldete Kommunen, lehnt das Land ab. Dabei sieht auch der Landesrechnungshof eine zu große Belastung für die betroffenen Städte und Kreise. Das Wunder von Mainz wird wohl ein Einzelfall bleiben.