Neue Studie Bald Verhütungsmittel für den Mann?
Verlässliche Verhütung ist häufig noch immer Frauensache. Eine neue Studie zeigt jetzt, wie Spermien unfruchtbar gemacht werden können - ein zukünftiges Verhütungsmittel für den Mann?
Beim menschlichen Zeugungsvorgang machen sich rund 80 bis 100 Millionen Spermien auf den Weg zu den weiblichen Eizellen. Damit sie dort ankommen und die Eizellen befruchten können, müssen sie sich im Körper der Frau vorwärts bewegen können. Wie sie vor allem die letzten Millimeter überwinden, war lange nicht klar.
Schwung durch "Ionen-Pumpe"
Bei Mäusen dagegen konnten Forschende bereits vor Jahren ein Zelldetail identifizieren, das dafür verantwortlich ist. Dieses Detail ist ein Kanal, durch den die Samenzellen Kalium-Ionen aus ihrem Inneren herauspumpen. Dadurch geben sie sich Schwung und können mit einer Eizelle verschmelzen, erklärt Timo Strünker, Reproduktionsmediziner und Androloge am Universitätsklinikum Münster.
"Es hat ein bisschen gedauert, bis man herausbekommen hat, dass genau der Kanal, der bei den Mäusen gefunden wird, dieser SLO3-Kanal, auch in menschlichen Spermien zu finden ist und wahrscheinlich ähnliche Funktionen erfüllt", erklärt Strünker. Zwar habe man schon vor zehn Jahren belegen können, dass es diesen Kanal auch in menschlichen Spermien gibt; damals habe es aber noch keine Werkzeuge gegeben, um zu untersuchen, ob er auch tatsächlich die gleichen Funktionen erfülle wie bei der Maus.
Ansatz für Entwicklung von Verhütungsmittel
Tatsächlich hat dieser Ionen-Kanal SLO3 die gleiche Funktion wie bei den Mäusen - das hat ein US-Forschungsteam jetzt zeigen können. Durch den SLO3-Kanal können die Spermien einen Kaliumstrom erzeugen, der sie voranbringt und damit überhaupt erst fortpflanzungsfähig macht.
Die US-Forschenden haben nun einen chemischen Wirkstoff entdeckt, mit dem sie den Kanal, bildlich gesprochen, verstopften. Damit konnten sie verhindern, dass die Samenzelle die winzigen Kalium-Ionen aus ihrem Inneren herauspumpt - sozusagen die Gegenprobe. Denn ist der Kanal defekt oder funktionsuntüchtig, erreicht das Spermium sein Ziel nicht.
"Damit steht der Wissenschaft zum einen ein gutes Werkzeug zur Verfügung, um die Funktion dieser SLO3 Kanäle noch genauer zu untersuchen", so Androloge Strünker. Gleichzeitig könne man aus diesem Ansatz womöglich ein Verhütungsmittel entwickeln - falls sich bestätige, dass sich die SLO3-Kanäle dafür eignen.
Zulassungsbedingungen haben sich verschärft
Bisher sind alle pharmakologischen Ansätze für ein männliches Verhütungsmittel gescheitert. Auch, weil sich die Zulassungsbedingungen für Wirkstoffe in den vergangenen Jahrzehnten verschärft haben. Ein Arzneimittel wie die Pille, in den 1960er-Jahren entwickelt, hätte es heute vermutlich schwer, die Zulassungsbedingungen zu erfüllen, erklärt Strünker.
Langer Weg zum Verhütungsmittel
Mit der jetzt neu gewonnenen Erkenntnis über die männlichen Samenzellen könnte aber vielleicht ein neuer Anlauf für ein Verhütungsmittel für Männer genommen werden, erklärt Artur Mayerhofer, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
Der Kanal komme nur in Spermien vor, die Substanz würde im Umkehrschluss nur die Befruchtungsfähigkeit verhindern, so Mayerhofer. Das sei ein sehr guter Ansatz. "Bloß: Vom Reagenzglas in die Verhütung, das ist ein langer Weg."
Denn jetzt muss die Substanz erst einmal sorgfältig auf mögliche Nebenwirkungen untersucht werden. Erst dann können die nächsten Forschungsschritte erfolgen - Tierversuche und dann klinische Studien an Menschen. Es dauert also vermutlich noch einige Jahre, bevor Männer eine Pille oder ein Gel kaufen können, mit dem sie sicher verhüten können.