Global Carbon Project CO2-Emissionen steigen 2022 weiter an
Das Global Carbon Project rechnet damit, dass die Treibhausgasemissionen 2022 deutlich ansteigen. Damit sinkt auch das verbleibende CO2-Budget, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Doch es gibt auch positive Entwicklungen.
Während die Welt im ägyptischen Sharm el-Sheikh über Klimaschutz streitet und darüber, wie man ihn finanzieren kann, erinnern Klimaforscher die Politik daran, dass die globalen Treibhausgasemissionen nach ihrer neuesten Prognose auch 2022 weiter gestiegen sind. Die Gründe dafür sind vielfältig, komplex - und ziemlich spannend.
Leichte positive Trends
"Wir sehen positive Entwicklungen, aber nicht die tiefgreifenden Maßnahmen, die jetzt eingeleitet sein müssten, um die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu halten", sagt Julia Pongratz, Professorin für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Forscherin im Global Carbon Project. "Die fossilen Emissionen steigen, statt zu sinken. Unsere Ambitionen müssen verschärft, ihre Umsetzung nachdrücklicher vollzogen werden, wenn die Ziele des Pariser Abkommens Realität werden sollen."
2020 hatte der Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre wegen der Corona-Pandemie eine Pause eingelegt. 2021 folgte, ähnlich wie im Jahr nach der Finanzkrise 2010, ein sogenannter Rebound-Effekt: Die Welt hatte Nachholbedarf bei Produktion und Konsum. Das Weniger an CO2-Emissionen in 2020 wurde im Folgejahr wieder wett gemacht.
Zweithöchster Zuwachs der Geschichte
Das Jahr 2022 ist noch nicht zu Ende. Dennoch hat das Global Carbon Project, ein weltweiter Zusammenschluss von Wissenschaftlern, die den Kohlenstoffkreislauf global beobachten, in Sharm el-Sheikh in einer Studie bereits eine Prognose geliefert: Wie und wo kam das CO2 in diesem Jahr in die Atmosphäre, und wo ist es teilweise auch wieder verschwunden?
Um rund ein Prozent im Vergleich zum Vorjahr sind die globalen Kohlendioxid-Emissionen in 2022 gestiegen, insgesamt auf 40,6 Milliarden Tonnen. Ein Prozent klingt nach wenig, aber es ist nach 2019 der zweithöchste Zuwachs der Geschichte. Die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre liegt aktuell bei 417 ppm (parts per million), also 417 CO2-Teilchen in einer Million Luftteilchen. Die Zahl ist deshalb wichtig, weil die Klimaforschung vor 20 Jahren noch ständig warnte: Ab 400 ppm CO2 in der Atmosphäre werde der Klimawandel gefährlich.
Weniger CO2 in Europa und China, mehr in USA und Indien
Das Global Carbon Project teilt die Weltgemeinschaft in fünf Teile: die vier großen Treibhausgas-Erzeuger USA, EU, China, Indien und der "Rest der Welt". Dass die Emissionen steigen, hat in diesem Jahr vor allem einen Grund: Der internationale Flugverkehr hat nach der Pandemie wieder kräftig angezogen. In den USA ist das der Hauptgrund für ein Plus der Emissionen von 1,5 Prozent. In Indien kommt noch ein starker Anstieg beim Kohleverbrauch dazu - macht dort ein Plus von sechs Prozent. Auch aus dem "Rest der Welt" kamen 1,7 Prozent mehr Treibhausgase.
Dass es im globalen Durchschnitt nur ein Prozent mehr geworden sind, liegt daran, dass die EU ein Minus von 0,8 Prozent und der Treibhausgas-Riese China ein Minus von 0,9 Prozent beisteuern. In Europa lag das an den hohen Gaspreisen. Weniger heizen, kürzer duschen, die Industrieproduktion runterfahren: Wenigstens den Klimawandel bremst das. Aber, sagen die Forscher vom Global Carbon Projekt, der Effekt wäre größer, wenn wir nicht gleichzeitig wieder mehr Kohle verbrauchten.
China historisch drittgrößter Emittent
Und China? Da, wo ein Drittel aller weltweiten Treibhausgase enstehen, hat die strikte Null-Covid-Politik dem Klima geholfen. So sehr haben die vielen Lockdowns Chinas Wirtschaft ausgebremst, dass man kaum merkt, dass China aktuell den Verbrauch von Kohle, Öl und Gas kräftig hochschraubt.
Das führt dazu, dass sich China in der Rangfolge der historischen CO2-Emittenten nach vorne schiebt. Vorbei die Zeiten, in denen Peking beim Thema Verantwortung für den Klimawandel an der Seite der Entwicklungsländer auf die Industrieländer zeigen kann, die seit dem 19. Jahrhundert ihren Wohlstand auf fossiler Energie aufgebaut und dabei die Atmosphäre als "Treibhausgas-Müllkippe" benutzt haben.
Rechnet man alle Treibhausgasemissionen seit Beginn der Industrialisierung zusammen, um zu ermitteln, wer wie viel Verantwortung dafür trägt, dass seit 1850 das Kohlendioxid in der Atmosphäre um über 50 Prozent angestiegen ist, dann landet China hinter den USA und der EU auf Platz 3.
Chinas Emissionen steigen rasant an
Noch um 1900 lag das britische Weltreich als Hauptverursacher des atmosphärischen Treibhausgasanstiegs einsam an der Weltspitze. Großbritannien stieß mehr CO2 aus als der Rest Europas und auch noch mehr als die USA. Doch das Thema Klimawandel gab es da noch nicht.
Ab Mitte des 20. Jahrhunderts setzten sich die USA an die Spitze der größten Treibhausgasproduzenten - bis zur Jahrtausendwende der wirtschaftliche Aufstieg Chinas begann. Der verläuft seither so rasant und klimaschädlich, dass China in ein paar Jahren auch historisch betrachtet mehr Treibhausgase in die Luft geblasen haben wird als Europa - und irgendwann auch mehr als die USA.
Wobei man aber auch die Pro-Kopf-Emissionen erwähnen muss: Teilt man die Treibhausgase der Regionen durch deren Einwohnerzahl, dann liegen die USA mit fast 15 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr weit vor den Chinesen und der EU.
Klimaschutz und Wohlstand geht zusammen
"Wir sehen positive Entwicklungen" - damit meint Klimaforscherin Pongratz, dass die globale Energieintensität beim Wirtschaftswachstum seit der Jahrtausendwende sinkt und seit dem Pariser Abkommen 2015 ebenso die CO2-Intensität der Wirtschaft. Für die gleiche Menge Güter, die die Weltwirtschaft herstellt, benötigt sie immer weniger Energie und stößt auch immer weniger fossile Treibhausgase aus.
Diese klimafreundliche Entwicklung liegt an 24 Staaten, in denen sich bei gleichzeitig wachsender Wirtschaft das langfristige Wachstum der fossilen Emissionen abgeschwächt hat. Dazu gehören neben Deutschland und zahlreichen europäischen Staaten auch die USA, Japan, Mexiko oder Singapur. In 15 dieser Staaten, darunter Deutschland, stieg sogar der Konsum bei gleichzeitig sinkenden Emissionen. Das bedeutet, dass der Energieverbrauch nicht mehr im gleichen Maße mit der Wirtschaft mitwächst, während gleichzeitig der Umstieg von fossiler Energie auf Erneuerbare Fahrt aufnimmt.
Klimaschutz und Wohlstand könnten zusammen gehen, wenn nicht die Weltwirtschaft schneller wüchse als die klimaschonenden Effekte. Die Welt müsste entweder das Wirtschaftswachstum verlangsamen - vor allem in den Industrieländern, denn den Entwicklungsländern wird man das nicht zumuten. Oder die Industrieländer steigen besonders schnell auf erneuerbare Energieträger um, senken dadurch die CO2-Intensität der Wirtschaft maximal - und genießen weiter ihren Wohlstand.
Auch den Wäldern geht es besser
"Neue und nachwachsende Wälder nehmen wieder mehr CO2 auf", sagt Pongratz und beschreibt damit einen weiteren positiven Trend. Die CO2-Emissionen aus der Zerstörung der Wälder werden in größerem Umfang kompensiert von Aufforstungen in Europa und China, von der Wiedervernässung von Mooren und der Aufgabe von landwirtschaftlichen Flächen.
"Aber die Landnutzungsemissionen liegen weiterhin hoch - im Widerspruch zu dem auf der letztjährigen Klimakonferenz gefassten Beschluss, bis 2030 die globale Entwaldung zu stoppen", kritisiert Pongratz. Die Emissionen aus der Waldzerstörung vor allem in Indonesien, Brasilien und der Demokratischen Republik Kongo machen immer noch zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen aus.
Nur noch neun Jahre
Das Fazit, das die Forscher des Global Carbon Project aus ihrer Klimaprognose 2022 ziehen, klingt trotz positiver Trends nicht gut: "Bleiben die Emissionen so hoch, wird das verbliebene Kohlenstoffbudget zur Einhaltung der 1,5°C-Grenze in neun Jahren aufgebraucht sein." Dieses Budget berechnen die Forscher aktuell mit 380 Milliarden Tonnen CO2.
Will die Welt bis 2050 klimaneutral sein, müssen die menschengemachten CO2-Emissionen jedes Jahr um durchschnittlich 1,4 Milliarden Tonnen sinken. Das entspricht dem Rückgang des Pandemie-Jahres 2020. Jan Christoph Minx vom Berliner Mercator-Institut, ebenfalls mit dabei beim Global Carbon Project, sieht es so: "In neun Jahren haben wir die 1,5-Grad-Grenze überschritten. Danach starren wir eine Zeit lang auf die 2-Grad-Grenze." Optimismus klingt anders.