Umfrage in Deutschland Erstmals Mehrheit für Atomwaffen-Verbleib
Angesichts des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt, ändert sich in Deutschland die Haltung zu den US-Atomwaffen: In einer Umfrage für das Magazin Panorama spricht sich nun eine Mehrheit für deren Verbleib aus.
Eine Mehrheit von 52 Prozent der Deutschen spricht sich für den Verbleib von US-amerikanischen Atomwaffen in Deutschland aus. Das hat eine repräsentative infratest-dimap-Umfrage im Auftrag des ARD-Politikmagazins Panorama ergeben. 40 Prozent der Befragten sagen demnach, die Atomwaffen sollten unverändert stationiert bleiben, zwölf Prozent befürworten sogar eine Modernisierung und Aufstockung. Nur 39 Prozent votieren noch für einen Abzug.
Damit hat sich seit dem Krieg in der Ukraine auch die Haltung der Deutschen zu Atomwaffen verändert. In den vergangenen Jahren hatte es in vergleichbaren Umfragen oft sehr deutliche Mehrheiten für einen Abzug der US-Atomwaffen gegeben. Noch Mitte 2021 waren etwa laut einer Studie der Münchener Sicherheitskonferenz nur 14 Prozent der Befragten für Atomwaffen in Deutschland, eine Mehrheit von 57 Prozent wollte deren Abzug.
Atombomben lagern in Rheinland-Pfalz
Derzeit lagern Schätzungen zufolge 20 US-Atombomben im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz, dies im Rahmen des Konzepts der "Nuklearen Teilhabe" innerhalb der NATO. Im Ernstfall tragen deutsche Kampfjets die US-Bomben ins Ziel. Noch im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien als Ziel "Deutschland frei von Atomwaffen" formuliert.
Nach der russischen Invasion in der Ukraine gab die Bundesregierung jedoch bekannt, die in Büchel stationierte überalterte Tornado-Flotte durch moderne Flugzeuge des Typs F-35 von Lockheed Martin ersetzen und damit Deutschlands Rolle in Hinblick auf die nukleare Abschreckungspolitik der NATO stärken zu wollen.
Großer Rückhalt bei Grünen-Anhängern
Besonders groß ist in der aktuellen Umfrage im Auftrag von Panorama die Zustimmung zu US-Atomwaffen bei den Anhängerinnen und Anhängern von Bündnis 90/Die Grünen: 64 Prozent sprechen sich für den Erhalt oder sogar die Aufstockung der US-Atombomben in Deutschland aus. Knapp dahinter folgen die Anhängerinnen und Anhänger von CDU/CSU sowie der FDP mit 61 Prozent. Nur bei der AfD votiert eine Mehrheit von 56 Prozent für den Abzug der Waffen.
Unterschiedlich wird die Frage in West- und Ostdeutschland gesehen: Während im Westen 56 Prozent der Befragten für eine weitere Stationierung oder die Aufstockung sind, sind es im Osten nur 38 Prozent. 54 Prozent befürworten dort hingegen einen Abzug der US-Atomwaffen.
Weber: Über nukleare Option reden
Nun werden in der Politik auch Stimmen laut, sich über eigene Atomwaffen innerhalb der EU Gedanken zu machen. Hintergrund sind die nuklearen Drohungen Putins, vor allem aber auch die Sorge, dass ein künftiger US-Präsident erneut die NATO-Mitgliedschaft und damit die Sicherheitsgarantien auch für Deutschland infrage stellen würde - so es wie Donald Trump getan hat.
Der neu gewählte Präsident der Europäischen Volkspartei (EVP), der CSU-Politiker Manfred Weber, sagte im Panorama-Interview: "Die heutige Europäische Union ist, das muss man mal ganz brutal sagen, nackt in einer Welt von Stürmen. Wir können uns als Europäer heute sowohl konventionell als auch nuklear nicht selbst verteidigen ohne die Partner von außen. Und das heißt, wir müssen jetzt auch über die nukleare Option reden."
Auch der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, fordert eine weitere Stärkung der europäischen Sicherheit: "In Hinblick auf den nuklearen Schutzschirm müssen wir mit Frankreich ins Gespräch kommen und über eine Ausweitung des französischen Atomprogramms diskutieren", so Heusgen im Panorama-Interview. Frankreich ist das einzige Land in der EU, das über Nuklearwaffen verfügt.
Deutschland selbst hat sich vertraglich verpflichtet, keine Atomwaffen zu besitzen. Die Umfrage im Auftrag von Panorama zeigt, dass eine deutliche Mehrheit von 71 Prozent der Befragten weiterhin der Meinung ist, Deutschland solle auch im EU-Rahmen keinen Zugriff auf eigene Atomwaffen bekommen. Immerhin 20 Prozent befürworten dies hingegen. Die repräsentative Befragung von infratest dimap fand vom 30. Mai bis 01. Juni unter 1.337 Wahlberechtigten in Deutschland statt.
Mehr zu diesem Thema können Sie in der Sendung Panorama um 21:45 Uhr im Ersten erfahren.