Schmutziger Nickelabbau Datenleak offenbart Bergbau-Geheimnisse
In Guatemala gibt es seit Jahren den Vorwurf von Umweltzerstörungen durch eine Schweizer Nickelmine. Ein Datenleck, das WDR, SZ mit einem weltweiten Journalistennetzwerk ausgewertet haben, offenbart neue Erkenntnisse.
Sie ist die größte Nickelmine Mittelamerikas und liegt, eigentlich idyllisch, an den Ufern des Izabal-Sees im Osten Guatemalas. Schon seit Jahren entfacht sich ein Streit um diese Mine. Die Bewohner der Gemeinden in der Nähe klagen über immense Eingriffe in die Umwelt, über die Rodung der Wälder, Luftverschmutzung und die Verunreinigung des Sees, die sie in den Zusammenhang mit dem Nickelabbau bringen.
Die lokalen Behörden, das Umweltministerium und insbesondere die Betreiberin der Mine, die Schweizer Bergbaufirma Solway Group, widersprachen: Der Abbau habe keine Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt. Journalisten wie Carlos Choc, der für die guatemaltekische Zeitung La Prensa über den Konflikt berichtete, erhielt Drohanrufe, wurde angezeigt und musste 2017 sogar untertauchen.
Mutmaßliche Vertuschung von Umweltverschmutzung
Schon 2019 hatten Journalistinnen und Journalisten weltweit - koordiniert von der NGO Forbidden Stories - die Recherchen von Carlos Choc gemeinsam weitergeführt, auch der WDR. Nun erhöht ein Datenleak nochmal den Druck auf die Solway Group und zwei Tochterfirmen, die die Mine vor Ort betreiben: 470 E-Mail-Konten und acht Millionen Dokumente aus dem Unternehmen legen nahe, dass der Minenbetreiber Schäden an der Umwelt offenbar nicht nur in Kauf genommen, sondern möglicherweise auch zu vertuschen versucht hat.
Sie offenbaren, wie die Firma aus Europa Macht und Geld in Mittelamerika nutzte, um lokale Gemeinden unter Druck zu setzen. Die geheimen Daten zur Mine der Solway-Group in Guatemala hat Forbidden Stories gemeinsam mit mehr als 20 Medienpartnern weltweit ausgewertet, darunter der britische Guardian und die französische Le Monde, El País aus Spanien und aus Deutschland WDR, "Süddeutsche Zeitung" und "Die Zeit". Die Daten stammen von einer anonymen Aktivistengruppe namens "Guacamaya".
Lieferungen auch an Bosch-Siemens und IKEA
Die Ausbeute der Solway Group in Guatemala landet zu einem großen Teil im globalen Norden, wahrscheinlich auch in Deutschland. Denn die Solway Group lieferte auch an eine Weiterverarbeitungsanlage in Finnland, die Firma Outokumpu. Von Outokumpu wiederum hat auch Bosch-Siemens rostfreien Stahl für Küchengeräte bezogen, ebenso Ikea, wie der Möbelhersteller bestätigt. Outokumpu gibt an, momentan nicht mehr aus Guatemala zu importieren und die Vorwürfe durch einen externen Experten überprüfen zu lassen. Bosch-Siemens unterstützt das ausdrücklich.
Siemens und mindestens vier andere deutsche Firmen haben die Mine auch selbst mit Equipment beliefert: Zwischen 2016 und 2018 soll Siemens für 2,5 Millionen Euro Elektroteile an die Mine geliefert haben. Eine Firma aus Baden-Württemberg und drei Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen andere spezielle Geräte. Auf Anfragen von WDR und SZ reagierten sie nicht. Siemens lässt mitteilen, dass sie über Geschäftsbeziehungen keine Auskunft geben und weist darauf hin, dass die Achtung der Menschenrechte, der Arbeitnehmerrechte und des Umweltschutzes integraler Bestandteil ihres Geschäftes seien und Siemens "keine Form von Korruption im Geschäftsverkehr" dulden.
Luftverschmutzung berge Risiko einer akuten Vergiftung
Dabei sind die Folgen des Bergbaus für Mensch und Natur in der Region immens. Menschen in der unmittelbaren Umgebung der Mine sollen an Hautausschlägen und Atemwegserkrankungen leiden, besonders Kinder. Fischer berichten, dass immer mehr Seekühe, Fische und Schildkröte sterben und sie den Fang aus dem See Izabal nicht mehr verkaufen können. 2017 färbte sich der See rot.
In den geleakten Unterlagen aus der Solway Group finden sich Hunderte von Berichten, Studien und Daten über die Wasser- und Luftqualität. Das Journalistennetzwerk hat sie zahlreichen unabhängigen Experten vorgelegt. Die Daten zeigen ihrer Einschätzung nach, dass unkontrollierte mineralische Abfälle in die nahe gelegenen Flüsse und den See Izabel landeten. Die Feinstaubbelastung sei hoch. Die Nickelkonzentration im Feinstaub nahe der Mine erreicht den Experten zufolge zwischen 150 und 800 Nanogramm - während die in Europa geltende Norm bei 20 liegt.
"Diese Luftverschmutzung kann das Risiko einer akuten Vergiftung mit sich bringen", sagt Gaëlle Uzu, Atmosphärengeochemikerin am Institut für Geowissenschaften und Umwelt in Grenoble. Nickelstaub könne Asthma und Bronchitis auslösen. Über einen längeren Zeitraum hinweg könnten diese Werte auch krebserregend wirken und zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.
Solway Group weist alle Vorwürfe zurück
Auf Anfrage bestreitet die Solway Group die Luftverschmutzung verursacht zu haben. "Es gibt keine Luftverschmutzung", teilt das Unternehmen mit und fügt als Beweis Luftanalysen aus dem zweiten Halbjahr 2020 bei. Schon 2017, als sich das Wasser des Sees rot färbte, hatten sowohl die Solway Group als auch die Regierung in Guatemala eine Verantwortung der Mine Fénix abgestritten. Eine Untersuchung im Auftrag des Umweltministeriums kam zu dem Schluss, eine Alge - die invasive Wasserpflanze Botryococcus braunii - habe das Phänomen verursacht.
Interne E-Mails legen jedoch nahe, dass Mitarbeiter der Solway Group offenbar schon damals vermuteten, dass die Mine die Verantwortung für die Verschmutzung trägt. "Bei einer Inspektion wurde das Vorhandensein von Sedimentmaterial im Auslasskanal der Prozessanlage festgestellt", schreibt der damalige Leiter der Umweltabteilung des Bergwerks in einem internen Bericht vom März 2017. Der Bericht wurde ins Russische übersetzt und offenbar auch an die obere Führungsebene weitergegeben. "Es wurde beobachtet, dass das Material nach starken Regenfällen den Izabal-See erreichte", heißt es in dem Bericht weiter. Die Empfehlung: "Halten Sie die Länge des Abflusskanals aufrecht, um eine weitere Ausbreitung von Sedimenten in den See zu verhindern."
Einflussnahme auf lokale Anführer und Verbände?
Neben einer mutmaßlichen Vertuschung von Umweltverschmutzung legen die Dokumente außerdem nahe, dass das Unternehmen zumindest versuchte, auf lokale Anführer und Verbände Einfluss zu nehmen. So scheinen die Betreiber die Ortschaften in der Umgebung der Mine genau beobachtet zu haben: Lange Tabellen listen Gemeindemitglieder auf, kategorisiert nach ihrer "Haltung zum Unternehmen" in positiv, neutral oder negativ. Sie führt auch so genannte "Schlüsselakteure" in Gemeinden und Verbänden auf, an die strategisch Geld verteilt wurde.
Interne E-Mails führen zudem den "Kauf von Anführern" als wirksame Methode an, um die Stimmung in den Gemeinden zu drehen. Den Unterlagen zufolge schmiedete eine Konzernabteilung 2019 auch konkrete Umsiedlungspläne für die Bewohner des Dorfes "Las Nubes" und auch solche zur Diskreditierung von Gegnern des Vorhabens. In einem vertraulichen E-Mail-Anhang finden sich Vorschläge, Gerüchte über HIV-Infektionen bei "promiskuitiven Anführern" zu streuen oder Felder in Brand stecken zu lassen. Unter dem Stichwort "Methode" notierte der Verfasser: "Bestechung". Es gibt allerdings keine Belege dafür, dass diese Ideen auch umgesetzt wurden. Andere interne Aktionspläne wägten "subtile" und "radikale" Maßnahmen gegeneinander ab, um das Land der Bewohner zu erwerben. Die "Zersplitterung der Gemeinde" galt demnach explizit als "Vorteil".
Solway Group sieht sich im Recht
Die Solway Group weist auf Anfrage alle Vorwürfe zurück und verweist auf zahlreiche Audits. "Diese Informationen entsprechen nicht der Realität." Die Firma stehe im fortlaufenden Dialog mit den lokalen Gemeinden und pflege "gutnachbarschaftliche Beziehungen", teilte das Pressebüro der Solvay Group mit. Dan Bronstein, der Chef des Vorstands, schrieb Forbidden Stories per Mail: "Wir widersprechen allen Anschuldigungen, die ohne Faktenbasis vorgebracht werden."
Die Solway Investment Group arbeite "in vollem Einklang mit geltendem nationalem Recht sowie internationalen Regeln. Unsere Arbeit wird sorgfältig von nationalen Aufsichtsbehörden und internationalen Wirtschaftsprüfungs- und Zertifizierungsstellen überwacht sowie vom Schweizer Departement für auswärtige Angelegenheiten, dem Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und der Schweizer Botschaft."